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Israel muss Netanjahu stürzen, bevor es zu spät ist

 

Sefi Rachlewsky 20.11.2011

 

Ein demokratischer Staat bereitet sich auf eine existenzielle Schlacht vor, indem er alle seine Bürger mit einbezieht und internationale Allianzen knüpft; ein faschistischer Staat bereitet sich auf den Krieg vor, in dem er seine Opponenten zu Hause unterdrückt und auch versucht, Allianzen in Übersee zu knüpfen; ein messianisch-faschistischer Staat unterdrückt seine Opponenten zu Hause und macht sich im Ausland zu einem Pariastaat.

 

Jeder der über das Bild eines israelischen Führers erschrocken ist, der im Ausland als ein „Lügner“ und Extremist angesehen wird, noch während er offensichtlich Freude daran hat, die Demokratie zu Hause zu unterstützen, muss die Verbindung zwischen den beiden verstehen. Israel unter Benjamin Netanjahu, der jetzt einen existenziellen Krieg vorbereitet, hat seine Wahl getroffen. Selbst für den Likud ist dies eine Revolution.

Würde die Zerstörung des irakischen Reaktors 1981 auch ohne den israelisch-ägyptischen Friedensprozess 1977/79 stattgefunden haben? Das ist zweifelhaft. Ministerpräsident Begin befasste sich im Juni 1977 mit dem irakischen Reaktor. Es ist nicht sicher, ob er sich für Frieden mit Ägypten entschieden hätte und einem Versprechen, den ganzen Sinai zu räumen – ein Versprechen, das dem Besuch des ägyptischen Präsidenten Anwar Sadats vorausging – nur um eine diplomatische Deckung zu haben und es ihm ermöglicht, den Irak zu bombardieren. Es ist aber klar, dass Begin verstand, dass er eine strategische Verpflichtung hatte, einen Weg in Richtung Frieden zu ebnen und so die Befürchtigungen des Westens vor seinem Extremismus zu beruhigen. ….

 

Und Begin war nicht der einzige. Jeder, der ein tiefgründiges Gespräch mit Ministerpräsident Yitzhak Rabin 1992 hatte, begriff, was ihn zum Friedensprozess führte…

1992 sah er Irans Nuklear-Programm und seinen religiösen Extremismus als die wahre Bedrohung Israels – also machte er einen ordentlichen Plan, um sich damit zu befassen. Der Friedensprozess war dafür gedacht, das Fenster der nuklearen Vormachtstellung, das Israel nach ausländischen Quellen 1971 geöffnet hat, in stabilisierende Abkommen umzuwandeln, die die regionalen Spannungen abkühlen würden.

In der Welt, die Rabin als einen strategischen „Freund“ ansah, war die Macht der strategischen Vertuschung, die er Israel gegeben hat, enorm. Diese Vertuschung konnte ihn in die Lage versetzen, von einer nuklearen Doppeldeutigkeit zur offenen Abschreckung zu wechseln. Es hätte Israel in die Lage versetzen können, unter den Schirm der Verteidigung und Abschreckung der Nato kommen zu können – und wenn nötig, hätte es Israel in die Lage versetzt, mit breiter internationaler Unterstützung anzugreifen.

 

Nethanjahu ist kein Churchill, aber wie Chamberlain. Wie Chamberlain hat er seinen eigenen Weg  weiter hinunterzugehen gewählt, als ob es keine existentielle Bedrohung gäbe. Und  für Netanjahu, der eine messianische Version von Chamberlain ist, bedeutet, seinen eigenen Weg  hinunterzugehen, seinen Angriff auf die Demokratie weiter fortzusetzen oder  genauer gesagt, den Obersten Gerichtshof zu zerstören….

Das Kronjuwel dieser antidemokratischen Welle hat sich als eine rein technische Angelegen-heit unkenntlich gemacht. Aber indem man die Zusammensetzung des richterlichen Ernennungskomitees verändert,  ist das ganz und gar nicht nur eine technische Angelegen-heit. Israel, das keine Verfassung hat, wo die Legislative eine Unterabteilung der Exekutive ist und wo Teile der Medien von der Regierung erobert wurden, ist die Unabhängigkeit des rechtlichen System die letzte verbliebene Barriere. Wenn erst einmal Politiker mit Hilfe dieser Manöver die Kontrolle über das Gericht gewonnen haben, ist auch der letzte Rest der israelischen Demokratie verschwunden.

 

Die faschistische Mehrheit, die dann weitermacht, wird dann die Macht haben, zusätzliche Manöver vor den Wahlen auszuführen – noch einmal praktisch übernacht. Sie wird z.B. in der Lage sein, zu verhindern, dass  es eine arabische Partei gibt, so dass die Araber die Wahlen boykottieren werden; und sie werden dafür sorgen, dass Juden im Ausland wählen können – alle ohne wirkliche juristische Prüfung. Diese unbedeutende technische Veränderung wird eine faschistische, messianische Mehrheit des rechten Flügels  für alle Zeiten sicherstellen.

 

Deshalb ist dies der Test für die Minister Dan Meridor, Benny Begin, Ehud Barak und Gideon Saar und  vor allem für den Knessetsprecher Reuven Rivlin, der in der Lage zu sein scheint, diesen Putsch gegen das Gericht voranzubringen. All der Schreck, den Rivlin und seine Kollegen über die anti-demokratische Legislatur zum Ausdruck brachten, ist keinen roten Heller wert. Jeder, der die politische Zerstörung der letzten Reste von Demokratie, den Obersten Gerichtshof möglich macht – und besonders in solch einem schicksalhaften Moment – begeht einen Angriff auf Israel. Der Rest dieser grauenhaften Gesetze sind nur mehr Bagatellen. Die Kontrolle des Gerichtes ist, was zählt.

Israel wird so in seine Konfrontation mit dem Iran geführt – nicht von „Freunden“ in der Welt, sondern von  jemandem, der sich selbst  in Israel wie in der Welt als ein anti-demokratischer „Lügner“ unbeliebt gemacht hat.  Chamberlain wurde  von seinen Kollegen

in der letzten Minute hinausgeworfen, als sein strategischer Irrtum deutlich wurde. Wenn Israel weiter existieren will, muss Netanjahu ein ähnliches Schicksal erleiden – er muss hinausgeworfen werden, bevor die Wolken verschwinden.

 

(dt. und gekürzt: Ellen Rohlfs)