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Mearsheimer und der rechte Flügel der israelischen  Linken

 

Edwin Rutledge – München  23.5. 10  

 

Professor Mearsheimer, der zusammen mit Prof. Stephen Walt das bekannte Buch „Die Israel-Lobby“ herausgegeben  hat, hielt  im palästinensischen Zentrum in Washington DC am 29. April eine Rede über „Die Zukunft Palästinas“.

 

Seine Worte erregten die Gemüter einiger Mitglieder der israelischen Linken. In seiner Rede bleibt er dabei, dass Israel nicht in der Lage sein wird, der Bildung eines lebensfähigen palästinensischen Staates zuzustimmen; stattdessen wird es die Westbank und den Gazastreifen in ein Groß-Israel, ähnlich dem Apartheidstaat Südafrikas, integrieren und wird zu einem späteren Zeitpunkt, dem Weltdruck nachgeben, und wenn die US-Hilfe ausbleibt, ein bi-nationaler demokratischer Staat werden. Dies würde das Ende des jüdischen zionistischen Staates bedeuten.

Genau dies ist es, was den linken Flügel Israels spaltet. Auf der linken Seite der Linken sind diejenigen, die denken, dass alle, die in Israel und in den besetzten Gebieten leben, die gleichen Rechte in einem bi-nationalen demokratischen Staat haben sollen; zudem sollte palästinensischen Flüchtlingen das Recht der Rückkehr gewährt werden.

 

Was die auf der rechten Seite der Linken betrifft, so wollen sie ihren jüdisch zionistischen Staat aufrecht erhalten mit dem „Rückkehrrecht“ nur für Juden, aber nicht für palästinensische Flüchtlinge. Jenen angeblichen Linken  wird klar, dass der einzige Weg zu diesem Ziele die Bildung eines palästinensischen Staates ist, da in unserer Zeit, die Welt die anhaltende Vertreibung von 5,5 Millionen Menschen nicht länger tolerieren wird; jene Flüchtlinge können unter der nicht-jüdischen Bevölkerung Israels - meistens Palästinenser in den besetzten Gebieten - gefunden werden, und Millionen leben in den Flüchtlingslagern im ganzen Nahen Osten.

 

Einer der ersten, der Prof. Mearsheimers Voraussage kritisierte, ist der führende  Befürworter dieser Gruppe, jener Rechten der „Linken“. In seinem Artikel „Apartheidstaat oder binationaler Staat“  stimmt Uri Avnery mit Mearsheimers Position überein, dass  die unmenschliche israelische Politik zu einer Apartheid ähnlichen Situation führt, stimmt aber nicht  mit  seiner Schlussfolgerung  überein, dass dies schließlich zu einem bi-nationalen Staat führen wird. Sein Hauptgrund für diese Vermutung ist, dass die Juden und die Palästinenser nicht zusammenleben wollen, deshalb die Zwei-Staaten-Lösung.

 

Avenery scheint vergessen zu haben, dass Juden, Muslime und Christen vor der Errichtung des jüdischen Staates Jahrhunderte lang friedlich in dieser Region zusammengelebt haben und dass die Hälfte der israelischen Bevölkerung orientalische „arabische“ Juden aus den nahöstlichen Ländern sind, die aus demographischen Gründen nach 1949 nach Israel zu immigrieren „ermutigt“ wurden, und deshalb  haben sie vieles mit den palästinensischen Arabern gemeinsam, wie die Sprache, Sitten und Gebräuche. In verschiedener Weise sind die Ashkenasi oder europäischen Juden eine Art mächtige Minderheit, die sich nie richtig in den Nahen Osten integriert hat. Sie bleiben mehr wie eine westliche quasi koloniale Enklave.

 

Außerdem vergisst Avnery einige andere Vorteile eines bi-nationalen Staates wie z.B. dass das Wasser und andere Ressourcen gleichmäßiger verteilt werden, dass die sog. Heiligen Stätten für  alle gleich zugänglich sind, die „Diaspora“-Palästinenser könnten frei nach und von Palästina reisen und  vor allem den Flüchtlingen würde das Rückkehrrecht zu ihren Häusern ( der größte Teil der Dörfer steht  gar nicht mehr?? ER)  gewährt.

Und schließlich vergisst er, dass es Juden und Palästinenser waren, die die Rede vom bi-nationalen Staat wieder auf die Tagesordnung setzten und diesen  weiter verteidigen. Das sind Toni Judt, Meron Benvenisti, Ilan Pappe, Joel Kovel, Michael Warschawski, Alfred Grosser, Eitan Bronstein und Uri Davis – zusammen mit Edward Said, Joseph Massad, Mazin Qumsiyeh, Nur Masalha, Ghada Karmi, Ali Abunimah, Saree Makdisi, Virginia Tilley und Jonathan Cook.

 

Prof. Mearsheimers Analyse  kann man als sehr gut bezeichnen, auch wenn man hofft, dass der bi-nationale Staat früher  als vorausgesagt kommt. Man ist zuversichtlich: es ist die einzige moralische und gerechte Lösung.

Und vielleicht wird der rechte Flügel der Linken die Stärke haben, um über die Linie  zur „moralisch hohen Position“ des einen Staates zu schreiten  -  wie Edward Said  es ausdrückte.

 

Edwin Rutledge  lebt in München. Er hat diesen Artikel für PalestineChronicle.com  geschrieben.

 

(dt. Ellen Rohlfs)