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Die letzte palästinensische
Familie in Ost-Jerusalems Stadtteil fürchtet jeden Augenblick die Vertreibung.
Sarah Levy , 25.3. 15
Eine
palästinensische Familie, die seit 1953 in Jerusalems Altstadt lebt, kämpft
darum, nicht von israelischen Siedlern aus ihrem Haus vertrieben zu werden. Seit
dem 9. Februar war die Sub Laban-Familie (acht Personen) schon zweimal
Vertreibungsversuchen durch israelische Siedler und Polizei ausgesetzt. Die
Familie erwartet nächstens einen 3. Versuch. Fast 70 palästinensische,
israelische und internationale Aktivisten demonstrierten am Sonntag mit einer
Demo der Solidarität vor ihrem
Haus. Die Familie glaubt, wenn es letzte Woche nicht eine ähnliche Aktion
gegeben hätte, hätte das Distrikt-Gericht nicht eine einstweilige Verfügung
ausgestellt, die ihnen genug Zeit gibt,
um die Vertreibung zu stoppen. Doch die Verfügung ist abgelaufen.
Obgleich
die Familie am 31.Mai eine Berufungsverhandlung vor dem Gericht hat, um die
Vertreibung in Frage zu stellen, weigerte sie sich, eine Order herauszugeben,
die eine Vertreibung vor diesem Datum verbietet. Die ständige Angst vor einem
Überfall und vor Vertreibung durch israelische Siedler Polizei
- oder beidem – hat das Leben der Familie tatsächlich sehr
beeinträchtigt.
„Wenn
wir in der Wohnung sind und etwas hören – wenn jemand an unsere Tür kommt oder
wenn wir von außerhalb ein Geräusch hören, haben wir Angst, dass es israelisches
Militär ist,“ sagte Ahmad Sub Laban zu ElectronicIntifada.
Das Haus
von Sub Laban liegt im muslimischen Viertel von Jerusalems Altstadt, nicht weit
vom Eingang zum Haram al-Sharif (al-Aqsa-Compound)
und nicht weit von der Klagemauer/Westmauer
und dem sich ständig erweiternden jüdischen Viertel entfernt. Der
Haupteingang der Wohnung an der
Maalot Kaldiyya-Straße wird mit zwei
israelischen Siedlerfamilien geteilt, die auch in dem Gebäude wohnen - In
einem Teil des Hauses im Geschoss
darüber. An sonnigen Tagen hängt deren Wäsche über dem Hof von Sub Laban. Eine
israelische Flagge weht über dem gemeinsamen Haus.
Rafat
Sub Laban, Ahmads Bruder, sagte, als seine Großeltern mütterlicherseits 1953 ins
Haus zogen, wurde es ihnen (von der jordanischen
Verwaltung von Feindeigentum (CEP)) als „geschützte Pächter“ vermietet.
Heute
wird die Miete von Nora – Rafats und Ahmads Mutter – gezahlt, und erlaubt der
Familie, das Mietverhältnis zu
halten und zwar solange wie sie und ihre Erben leben. Rafat sagt, dass sie
theoretisch vor Vertreibung und wachsender Mietkosten geschützt wären.
Aber
seit Israel 1967 Ost-Jerusalem
eroberte, ist der Besitz unter die Kontrolle der „Wächter
von Eigentum Abwesender“ gefallen. Obgleich die Familie durch diese
Übernahme ihren geschützten Status beibehält, hat die israelische Regierung auf
verschiedene Weise versucht, die Labans aus der Wohnung zu vertreiben, sagte
Ahmed.
In den
späten 70er-Jahren lebten zwei palästinensische Familien neben der Sub
Laban-Familie. Sie wurden vertrieben, um israelischen Siedlern Platz zu machen.
Seitdem ist die Lage viel schwieriger geworden. 1984 modernisierten die Siedler
ihre Wohnung und sperrten ihren gemeinsamen Haupteingang und ließen die Sub
Labans ohne Zugang zu ihrem Besitz. Wir mussten durch das Siedlerhaus gehen und
durch ihr Küchenfenster mit Polizeibegleitung springen, um zu unserm eigenen
Haus zu gelangen. Aber sehr schnell versperrten die Siedler den Durchgang. Die
nächsten 16 Jahre verhinderte Siedlergewalt und Gerichtsorder. die Sub Laban
ihre Wohnung zu betreten. Sie waren gezwungen,
im Stadtteil Beit Hanina eine Wohnung zu mieten. Der Familie wurde es
schließlich 2001 erlaubt, in ihre Wohnung in der Altstadt zurückzukehren,
nachdem ein israelischer Richterihren Besitz besuchte und zu ihren Gunsten
entschied. In den nächsten zehn Jahren war eine relative Ruhe, sagte Ahmad.
Das
änderte sich 2010, als der Israelische CEP den Besitz der Sub Labans der
Siedlergruppe Ateret Cohanin übertrug. Die Gruppe hat öffentlich ihr Ziel
erklärt, eine jüdische Mehrheit im muslimischen Viertel der Jerusalemer Altstadt
zu schaffen. Sie ist eine der mehreren privaten Siedlerorganisationen, die mit
dem Staat Israel kollaboriert, um palästinensische Häuser und Stadtteile zu
judaisieren, wie die israelische Tageszeitung Haaretz
offen legte.
Nach
Aviv Tatarsky, einem Mitarbeiter der Gruppe Ir Amim, die für Gleichheit in
Jerusalem arbeitet, (Ahmad Sub Laban arbeitet auch in dieser Gruppe) sind nun
nahezu 500 Siedler mit Ateret Cohanim verbunden, die in den muslimischen und
christlichen Vierteln der Altstadt leben. Alle wohnen in Häusern, aus denen
palästinensische Mieter wie die Sub Laban-Familie vertrieben wurden. Fünf
Monate, nachdem sie den Familienbesitz sich angeeignet hatte, reichte die
Siedlergruppe eine neue Klage gegen die Sub Laban-Familie ein, die behauptete,
sie hätten das Haus verlassen und die Familie hätte jetzt einen anderen Besitz
in der Westbank. Die Siedler beriefen sich auch auf das Ost-Jerusalem Gesetz von
1970, das Israelis erlaubt, Besitz zu reklamieren, das vor der Errichtung des
Staates 1948, Juden gehörte. Das Gesetz erlaubt Erben der ursprünglichen
Besitzer, einen legalen Anspruch zu erheben, den Besitz zurück zu nehmen und die
augenblicklichen Bewohner zu vertreiben , wenn sie beweisen können, dass die
augenblicklichen Bewohner nicht dort gelebt hätten und durchweg Miete gezahlt
hätten.
„Palästinenser haben viel Land in Westjerusalem und überall in Jerusalem
verloren, zu dem sie keinen Zutritt mehr haben“, sagte Achmad, Es gibt noch
viele Palästinenser, die die originalen Besitz-Dokumente für ihr Land haben, die
ihnen erlauben sollten, diese
Ländereien zurück zu erhalten.“ Sagte Ahmad. Der Fall der Sub Laban-Familie
zögerte sich bis September 2014 hinaus, als das israelische Amtsgericht gegen
die Familie stimmte, ihren geschützten Mieterstatus annullierten und erklärten,
dass sie das Haus verlassen müssten und
noch Strafe zahlen müssten. Unter dem „Beweis“, den die Siedler zu zeigen
pflegten, war, dass die Familie tatsächlich gar nicht mehr dort leben würde, da
sie sehr geringen Stromverbrauch hääten.
Ahmed
erzählte, dass 2010, als die Familie einen Air Condition anschloss, die
israelischen Behörden sofort eine Order erließen, diesen wieder zu entfernen.
„In jener Zeit verstanden wir nicht, warum sie uns dies antaten, und wir
dachten, dass dies nur eine andere Form des Druckes/ der Erpressung gegen uns
sei, um uns dahin zu bringen, das Haus zu verlassen,“ sagte Ahmad. „Aber jetzt
wissen wir, dass dies ein Teil der (Siedler-)Strategie war. Sie wollten nicht,
dass wir viel Strom verbrauchen, weil dies ein Beleg wäre, dass wir hier lebten.
„Es ist
ein kleines Haus. Es gibt nicht viele elektrische Geräte“, fügte Ahmed hinzu,
„ohne Klimagerät brauchten wir
tatsächlich sehr wenig Strom.“
Die Sub
Laban-Familie hat bei so einem aufgetakelten
System wenig Hoffnung auf Gerechtigkeit. Sie haben mit einer
Online-Petition angefangen, um die internationale Öffentlichkeit auf ihren Fall
aufmerksam zu machen. „Wir wissen, dass es kein faires Gericht oder eine faire
Gerichts-verhandlung sein wird“, sagte
Rafat in Bezug auf die
Berufungsverhandlung, die auf Ende Mai gelegt ist. Rafat weist darauf hin, dass
Ram Winograd, der Richter des Amtsgerichts, der die einstweilige Verfügung der
Vertreibungsorder zurückgewiesen hat, selbst ein Siedler ist.
„Die
einfache Tatsache ist, dass unser Haus in besonderer Weise ein Ziel ist, weil es
die letzte palästinensische Wohnung in diesem Gebäude
und Stadtteil ist. Wenn wir vertrieben werden, wird Ateret Cohanin einen
sehr großen Besitz ( innerhalb des muslimischen Viertel) haben, der nur von
israelischen Siedlern bewohnt
wird“, fügte Rafat hinzu.
Sarah
Levy ist eine unabhängige Journalistin, die in der Westbank lebt.
(dt.
Ellen Rohlfs)