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Mach ihm nur keinen Ärger

Israels Demokratie ist sehr krank. Ohne gesunde politische Parteien ist sie irreparabel - nur eine leere Hülle.

 

Yossi Sarid, 20.5.11

 

Diese Zeilen werden vor seinen großen Reden geschrieben, doch kann man sich gut ihren Inhalt vorstellen – Enttäuschung. Schließlich ist es die Situation, die diesem Redner die Worte diktiert, und er hat nicht die Absicht, sie zu ändern, genau wie sie ihn nicht verändert hat. Gott, Du hast uns auserwählt eine unbrauchbare Regierung zu haben.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wird auf dem Kapitolhügel stehen und wird lobend über die israelische Demokratie sprechen, als einzige im ganzen Nahen Osten und einzige Verbündete von Amerika. Wenn er von „unseren gemeinsamen Werten“ spricht, werden sie im Kapitol dahin schmelzen. Sie werden einander Komplimente machen. Der schmeichelhafte Vergleich mit Syrien, Libyen und Jemen wird das seine tun: er wird uns schmeicheln und wir werden Applaus ernten.

Aber selbst Israels Demokratie lehnt sich mehr gen Osten als gen Westen. Es ist lächerlich, ein Land zu loben, das ein Besatzungsregime neben sich aufrechterhält, das jeden Tag die Menschenrechte mit Füßen tritt. Nicht zufällig haben sich viele Kolonialreiche vom Mühlstein des Kolonialismus um ihren Hals befreit, als sie zwischen andauernder Expansion und Degeneration und dem Beginn von Nüchternheit und Erneuerung wählen mussten.

Und es ist reine Torheit, eine Demokratie zu loben, die keine ernsthafte Oppositionspartei hat, eine Partei, die eine ideologische und praktische Alternative anbietet. Just in dem Moment während sich die Welt erneuert, wirft der hoch gehaltene nationale Konsens seine Schatten und bedeckt alle Verbrechen.

Welche Demokratie ähnelt mehr einer Plutokratie, die von zehn Familien kontrolliert wird? Da gibt es diejenigen, die sie mit NIS 1,5 Millionen pro Monat beschmutzen und dann gibt es jene, die sie mit NIS 1500 reinigen. Der Tag wird kommen, an dem sich die pyramidenartig aufgebauten Konzerne öffnen und unsere Demokratie wird als Sarkophag in Erscheinung treten.

Dies ist eine Demokratie, die ihre Minderheiten ausschließt und betrügt; die die schwache Bevölkerung zur leichten Beute macht für die innenpolitischen Wirren der Privatisierung; die den persönlichen Status in die Hände von Klerikern legt und hemmungslos versteinerten Marotten ausliefert, die aus alten geologisch-theologischen Zeiten stammen; deren politisches System so sehr an Verstopfung leidet, dass es Schwierigkeiten hat, seine Exkremente auszusondern, so dass die Exkremente stecken bleiben und an die Oberfläche kommen; deren Fass sich immer mehr füllt mit großen verfaulenden Äpfeln, aber die einen stolpernden Ministerpräsidenten mit Immunität vor einem Ermittlungsverfahren schützt.

Auch wenn sie sich wie eine Demokratie bewegt und wie eine Demokratie schnattert, bleibt sie doch nur eine Ente. Vergangene Woche wurde noch eine Partei von Häuptlingen ohne Indianer gegründet, eine Partei von Gesandten ohne Dispatcher und ohne einen Auftrag. Der Chef – arrogant und überzeugt, wie es sich für einen Verteidigungsminister vor dem Nakba-Tag gehört – verlangte und erhielt weitreichende Befugnisse für sich selbst. Selbst Napoleons Träume werden zuweilen wahr: Noch muss er mit dem Obersten Gerichtshof und B’tselem fertig werden, aber auf die Plage eines Parteizentralkomitees kann er verzichten. Ehud Barak wird genau wie Avigdor Lieberman in seiner Partei navigieren und einstimmig entscheiden.

Auch die Kadima mit ihren 28 schäbigen Knessetmitgliedern wurde nach dem Image des Caudillo geschaffen. Ariel Sharon sammelte seine Vertreter wie verlassene Eier ein und legte sie alle in einen Korb – unter der Bedingung, dass sie ihm keinen Ärger bereiten; die meisten wurden dann seinem Nachfolger hinterlassen.

Yisrael Beitanus 15 anonyme Gesetzgeber wurden von Lieberman handverlesen. Shahs elf Putzlappen wurden von Rabbi Ovadia Yosef aufgesammelt. Hätten sie nicht seine Stiefel geputzt, hätten sie es nicht bis zu seiner Kandidatenliste gebracht. United Thora Judaisms fünf Juden wurden von den Rabbinern erfunden, die ihnen sagen „Du sollst“ und „Du sollst nicht“. Ein seltsamer Professor – wie Big Brother – gehört zu Habayit Hayehudis drei Mietern mit scharfem wissenschaftlichem Blick. Wir haben schon Aztmauts fünf Diener und Dienerinnen erwähnt. Das macht zusammen 67 Knessetmitglieder – eine Mehrheit – die die Demokratie repräsentieren, zur Schau und nicht zum Nutzen, eine Demokratie nach der Methode 'bau sie dir zusammen und vergiss sie'.

Unsere Demokratie ist sehr krank, weil sie ohne gesunde politische Parteien irreparabel und nur eine leere Hülle ist. Die Parteien müssen rehabilitiert und nicht begraben werden.

Aber all dies sei nur zwischen uns gesagt: Erzähl es ja nicht denen in Washington

(dt. Ellen Rohlfs, Doris Pumphrey)