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Die Feiern zum Jerusalemtag werden den Fäulnisprozess und  die Diskriminierung nicht vertuschen

 

Yossi Sarid, Haaretz, 3.6.11.

 

Der Jerusalemtag ist eine unechte Feier, die nur von der religiös zionistischen Bewegung, den Siedlern, den Arbeitern als organisierter Ausflug, dem Präsidenten, dem Bürgermeister und Kanal 1 lustlos groß gefeiert wird. Die meisten Leute in Israel wissen gar nichts davon und kümmern sich nicht darum, warum es ihn gibt.

Der Dichter und Jerusalemit Gilad Meiri, der anscheinend auch ein anderes Jerusalem liebt, hat in einem Gedicht gesagt, man solle „Jerusalem vom Jerusalemtag befreien“. Seitdem Jerusalem vor 44 Jahren zusammengefügt wurde, gab es wenig Gründe zum Feiern und in diesem Jahr noch weniger als sonst.

 

Jerusalem 2011 ist eine traurige Stadt, die vorgibt, fröhlich zu sein.

Anfang dieser Woche veröffentlichte das zentrale Statistikbüro reale Daten, die uns noch weniger in eine Partie-Stimmung versetzen: Jerusalem ist die ultra-orthodoxeste Stadt, die arabischste und von Abwanderung geplagt. Etwa 8000 Jerusalemiten hatten genug von der Stadt und verließen sie.

Die Rate der Gymnasiasten, die ihr Abitur machen, ist sehr niedrig, und die Stadt kümmert sich nicht um ihre Armen.

Inzwischen  fehlen im östlichen Teil der Stadt mehr als 1000 Klassenzimmer. Etwa die Hälfte der Kinder hat keinen Platz in einem Klassenraum. Sie sind unerwünschte Kinder.

 

Sogar vorher war Jerusalem nicht auf Rosen gebettet. In den letzten Jahres ist es ein Dornenbett geworden.

Im Stadtteil von Al-Bustan, am Fuße der Davidstadt, besteht die Stadtbehörde darauf, Dutzende von bewohnten Häusern zu zerstören, um eine Wahnvorstellung zu realisieren – den „Garten des Königs“.

 

Im Stadtteil Silwan hat jeder bemerkt, dass eine „stille Intifada“ unterwegs ist. Täglich geraten Siedler in Beit Yonatan und Wadi Hilweh mit der einheimischen Bevölkerung so zusammen, dass es auch schon Tote gab. Beit Yonatan sollte längst nach dem Obersten Gerichtshof aufgelöst werden, dem der Bürgermeister Nir Barkat  aber eine lange Nase macht, und der Justizminister versäumt seine Pflicht.

 

Die Polizei verhaftet lokale Führer, einschließlich Jawad Siyam, der ein Gemeindezentrum für Kinder eingerichtet hatte, und zum Opfer falscher Anklagen durch Siedler, seine Nachbarn, wurde. Die Polizei verhaftete auch Minderjährige; erst neulich berichtete Haaretz von der Verhaftung eines siebenjährigen Jungen.

 

Im Stadtteil von Sheikh Jarrah werden weiter palästinensische Familien aus ihren Häusern vertrieben. Die Siedlung von Simon dem Gerechten dehnt sich weiter aus – mit der offenen oder verdeckten Unterstützung der staatlichen Behörden.

 

Auf den Ruinen des Shepherd-Hotels, das der „Aufseher von verlassenem Besitz“ an Irving Moskowitz verkaufte, wird bald eine neue Siedlung entstehen. Ziemlich viele Feiern erwarten Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und seine Minister Rivlin und seine Knessetabgeordneten vor dem nächsten Jerusalemtag sogar vor dem September und hauptsächlich danach. Wir können uns für die Einweihung des Dritten Tempels bereit machen.

 

Dieses Jahr ist kein gutes Jahr für Jerusalems guten Namen gewesen; es ist das Jahr, in dem die Heilige Stadt ein Synonym für ein Bauprojekt mit Namen Holy Land geworden ist. Irgend etwas ist in dieser Stadt faul; viele seiner vergangenen und gegenwärtigen Führer stehen unter Anklage für ihre üblen Tricks. Jährliche Festivals (nicht nur in Kirchen), Marathons, neue Restaurants auf dem Markt und andere Scherze an seinem Tag der Freude wird die Fäulnis, die Diskriminierung oder die Beraubung nicht zudecken.

 

(dt. Ellen Rohlfs)