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Auch ich sagte nichts

 

Yossi Sarid,

 

 Haaretz, 4.6.10. 

 

 

Auch in Israel ist es nur noch eine  Frage der Zeit, bis sie mich  und auch dich erreichen.

Genau wie der deutsche Pastor Martin Niemöller über die Nazizeit sagte.

 

Anfangs war er wie eine Gazelle, deren Hals die Jäger suchten. Er versuchte, eine Möwe zu werden, in der Hoffnung, dass wenn er gen Himmel fliegt, dann könnten sie ihn nicht runterbringen. Er ging in jede Landesecke, um sich ein Nest für seine enttäuschte Hoffnung  ein Refugium zu bauen, bis er endlich einen Ort fand, wo seine Beine zur Ruhe kamen und  er seine Seele baumeln lassen konnte – Nizana. Der verstorbene Arie „Lova“ Eliav war der erste Verräter. Aber ich sagte nichts, weil ich nicht Lova war.

 

Später griffen sie die Leute in den Kibbuzim an, sie seien Hedonisten und der Kibbuz sei ein Ort, wo man sich in Lehnsesseln zurücklehnt und ein Bad im Swimmingpool nimmt, wo das Gras grüner ist und das Wasser strahlend blau. Also haben sie sie mit Sicherheitszäunen umgeben und ihren Geist gebrochen. Der kostbare Schatz der Zionisten und ihr Stolz  wurde in ein Wrack verwandelt, das nicht sein Gewicht wert war … Aber ich redete nicht, weil ich kein Kibbuznik war.

Danach handelten sie Berichte mit den Medien aus, bändigten sie, kastrierten sie, und statt ein Wachhund zu sein, wurden sie ein Schoßhund. Sie deckten die Mafia des linken Flügels auf und schalteten die Maulwürfe (Spione) aus. Seit damals fliehen die Medien die Realität des Alltags und zeigen „Realitäts“-TV-Shows. Was in der Wirklichkeit geschieht, wird nicht von der Kamera aufgenommen – und nur das, was aufgenommen wird, geschieht tatsächlich. Aber ich redete nicht, da ich nicht zum Fernsehen gehöre.

 

Dann begannen sie die Richter zu lynchen. Sie sitzen nicht unter ihren Leuten, sagten sie, und wer sind sie eigentlich – und was verstehen sie? Es ist besser von Heiden verurteilt zu werden als von Abtrünnigen, die die geheimen Spione von Meretz seien. Selbst die Regierung hält ihre feindseligen Entscheidungen nicht mehr aus. Aber ich redete nicht, weil ich kein Richter bin.

Danach begannen sie, gegen die Araber des Landes und andere Minderheiten auszuschlagen  und  sagten, sie wären Trojanische Pferde; dass Böses aus ihrem Bauch käme. Es sei ein Akt von Freundlichkeit, sie und ihre Kinder noch generationenlang zu diskriminieren, und es sei obligatorisch, ihre Gleichheit von einem Treueid abhängig zu machen. Bis sie Treue schwören und inständig darum bitten, werden sie vorbehaltlich Bürger sein und wann immer es möglich sein wird, getestet werden.

Selbst die Treuesten der Treuen werden nicht in ihre Häuser in Biram und Ikrit zurückkehren, obwohl es ihnen versprochen worden war. Aber ich redete nicht, weil ich kein Araber und kein Flüchtling bin.

 

Und dann befassten sie sich mit den NGOs und mit  jedem, der nicht bereit war, als verlängerter Arm der Regierung zu dienen. Wenn du nicht im Chor mitsingst, wirst du zum Schweigen gebracht und verdächtigt, fremdes Geld zu haben und  verborgene Motive. Dann darf dein Schiff nicht passieren. Aber ich redete nicht, weil ich keine Verbindung zum Neuen Israel Fond, zu Adallah oder B’tselem habe.

 

Danach griffen sie wie Raubtiere das Bildungssystem an. Der Schuldirektor, der die IDF nicht als das Vorbild  für Generationen hinstellt, muss nun besonders aufpassen. Er wird Probleme bekommen, wenn er die Besatzung beim Namen nennt. Aber ich  redete nicht, weil ich kein Pädagoge bin.

 

Ich bin auch kein Gastarbeiter, der Krankheiten mit sich bringt – also bin ich still.

 

Jetzt greifen sie die akademische Welt in der Hoffnung an, sie zu erobern. Das Programm für den größten Teil ist anti-zionistisch oder post-zionistisch und es  zerstört die Seelen unserer Jugend. Das ist durch eine neue Studie aufgedeckt worden, dass die jungen Leute mit ihrem Finger am Abzug aus dem Nichts auftauchen. Aber ich beabsichtige nicht zu reden, weil ich kein Professor bin.

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es auch mich  - und dich erreicht. Aber dann wird keiner mehr da sein, der  sich für mich oder dich einsetzt, für mich oder dich redet.

 

(dt. Ellen Rohlfs)