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Ofra Ben Artzi * Haaretz, hebr. 4.8.09
Die
Schrift an der Wand sah ich in Sheik Jarrah, als ich auf dem Boden eines Gefängniswagens saß und
durch die Gitter sah.
Wie
ich verhaftet und verhört wurde, weil
ich Solidarität mit vertriebenen Palästinensern zeigte.
In
dem Augenblick, als ich von der Vertreibung der
mir bekannten Familien hörte, musste ich dorthin gehen, um mit ihnen
ihre Trauer zu teilen. Seit der Vertreibung von Umm
Kamel im letzten November war ich regelmäßig hier und besuchte sie in ihrem
Zelt. Dort war es auch, wo ich H. Gawi traf und mich
mit ihm anfreundete. Er wurde heute morgen mit seiner
Familie aus seinem Haus vertrieben.
Die
Polizei hat mit Polizeiwagen die Straße, die in diesen Stadtteil führt,
abgesperrt. Ich näherte mich der Absperrung und ging in aller Unschuld an einer
Polizistin vorbei, die sofort aufsprang und fragte, wohin ich gehen wolle? ‚Um
Freunde zu besuchen, die in Not sind’ sagte ich. ‚Hier kann man nicht
durchgehen’, sagte sie. Ich sagte ihr: ‚dies hier ist aber meine Stadt, meine
Freunde leben dort’. Sie blieb aber hart. ‚Können Sie mir irgendwelche
offiziellen Papiere zeigen?’ fragte ich und ging einfach weiter. Zu meinem
Erstaunen sprangen kräftige Polizisten aus allen Richtungen auf mich zu
umzingelten mich und berührten auch meinen Körper. (Später hörte ich, dass dies
als ein Angriff von meiner Seite aus gedeutet wurde).
Ich
wusste nicht, was ich tun sollte. Ich setzte mich einfach auf die Straße, die
Augen nach unten gerichtet. Sie sagten mir, ich solle aufstehen und weggehen.
Aber ich bestand darauf, dass dies meine Stadt sei, dass meine Freunde in der
Nähe wohnen und ich zu ihnen gehen wolle, um sie am Tage ihres Unglücks zu
trösten. Einer von ihnen sagte zu seinem Kollegen: „Nun, dann soll sie ein paar
Tage hinter Gittern.“ Und tatsächlich innerhalb weniger Minuten wurde mir
gesagt, ich sei verhaftet. Sie riefen den Zinzana-Gefängniswagen.
Unterdessen erschien eine andere Gruppe von Polizisten, die einen engen Kreis
um mich bildeten, „damit sie nicht gesehen und photographiert werden kann, wenn
sie in den Gefängniswagen gebracht wird“. Von meinem Platz aus konnte ich
zwanzig Paar schwarze Polizeistiefel sehen, die mich umgaben. Zwei
Polizistinnen kamen, packten mich an den Armen und zogen mich in den Wagen.
So
saß ich eine Stunde dort. Wir fuhren weiter in den Stadtteil dorthin, wo die
Familien aus ihren Häusern vertrieben wurden. Ich konnte die ultra-orthodoxen
Männer und Frauen in ihrer unverkennbaren Kleidung sehen, wie sie ruhig die Straße zum Grab des
Shimon der Zadik entlang gingen. Keine Polizei
sperrte ihnen den Weg ab. Ich überlegte und kam zu der Erkenntnis, dass ich den
Anfang von etwas Neuem erlebte. Es wird nicht mehr nur eine Straße „Nur für
Juden“ sein, sondern ab jetzt wird es
Straßen für eine besondere Art von Juden geben. Für solche die jüdisch
aussehen, für solche, die wie Netanyahu einmal sagte, nicht vergessen haben,
was es heißt, Jude zu sein. Das Gitter hinderte mich auch nicht daran, zu
sehen, dass Umm Kamels Zelt, in dem sie seit ihrer
eigenen Vertreibung wohnte, nicht mehr dastand. Der Ort war völlig leer, die
Gegend aber voller Polizisten, mindestens Hundert, wenn nicht gar Tausend. Vom
Boden des Polizeiwagens sah ich auch
etwas, das wie vollständige Judaisierung eines
Stadtteils aussieht. Ich würde nicht überrascht sein, wenn sie sogar den Namen
Sheikh Jarrah von den Straßenschildern und den
Stadtplänen nehmen würden.
Schließlich
wurde ich ins Russische Polizeigefängnis ( Russian Compound)
gebracht. Das Verhör brachte heraus, dass ich allein eine illegale Versammlung
abgehalten und einen Polizeioffizier angegriffen hätte. Nach diesem Verhör und
Warten und nachdem ich all meine
biometrischen Geheimnisse der polizeilichen
Abteilung für Verbrechensidentifizierung gegeben hatte, wurde mir
angeboten, entlassen zu werden, wenn ich versprechen würde, im Laufe der
nächsten 14 Tage nicht mehr nach Sheikh Jarrah zu
kommen. Ich stimmte dem zu.
Nachgedanken:
Die
Vertreibung der Familien schlägt die Tür für jede Möglichkeit eines Dialoges
mit den Palästinensern zu. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Obama-Regierung und der internationalen Gemeinschaft, die
versucht, einen politischen Prozess in unserer Region in Gang zu bringen
Die
Vertreibung der Familien ist dafür gedacht, noch einmal das angebliche jüdische
Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken: ‚die ganze Welt ist gegen uns’ und „ Das
Volk soll abgesondert wohnen und soll nicht unter die anderen Nationen
gerechnet werden“ (4. Mos. 23, 9)
Wenn ( einmal) die Geschichte geschrieben werden
wird, wird die Vertreibung der Familien, dieser brillante strategische Schritt
von Netanyahu und Barak mit dem Besuch von Sharon auf dem Tempelberg verglichen
werden, der dann die 2. Intifada auslöste.
Die
Vertreibung der Familien ist das Vorspiel für den nächsten Krieg. Die
Untergrabung der Freiheit ist nur der Anfang – die Freiheit der Rede, die
Freiheit der Demonstration und des Protestes. Ständig eskalierende Maßnahmen
werden gegen jeden zivilen, gewaltfreien Widerstand gegen die Besatzung
unternommen.
Während
der nächsten Gewaltrunde wird die Gewalt von Seiten der Regierung gegen
(jüdische) Dissidenten ein bis dahin noch nie gesehenes Ausmaß erreichen.
Ich
sah die Schrift an der Wand: vom Boden des Gefängniswagens sah ich sie in Sheik Jarrah durch das Gitter des
Wagens hindurch.
*
Ofra Ben Artzi ist die
Schwägerin von Netanyahu.
Aus
dem Hebräischen: Adam Keller; dt. Ellen Rohlfs;
Orfa Ben Artzi
bedankte sich extra bei mir , dass ich dies ins
Deutsche übersetzt habe und weiter verbreite !!)