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Das israelische Hetzproblem: ein persönlicher Blick in ein Kinderbuch

 

Noam Sheizaf, 29.3.2011

 

http://occupiedpalestine.wordpress.com/2011/03/29/the-israeli-incitement-problem-a-personal-look-at-a-children’s-book    

 

Israelische Führer und Befürwortergruppen beklagen sich gern über die palästinensische Hetze - aber  militaristische und nationalistische Indoktrination ist in Israel ganz allgemein. Einige persönliche Gedanken folgen einer Mail von empörten Eltern.

 

Als ich ein Kind war, liebte ich Danni Din-Geschichten. Ihr Held war das Wunderkind Danni Din, das in der Welt zum  einzigen unsichtbaren menschlichen Wesen wurde, nachdem es eine seltsame Flüssigkeit getrunken hatte, die auf dem Fenstersims des leichtsinnigen Professors Katros stand.  Als   

Superheld seiner Art nützte er seine einzigartige Lage nicht aus und eilte in den Schlafraum der Mädchen …, statt seine Kindheit dazu zu benützen, Israels Sicherheitskräften zu helfen. Danni Din kämpfte im 6-Tage-Krieg, fing Terroristen und rettete IDF-Gefangene. Und obwohl ich noch sehr jung war, hatte ich das Gefühl, dass in seiner  Situation etwas Tragisches war. ( Er blieb auf immer unsichtbar und wurde nie erwachsen) . Ich träumte von der Gelegenheit, dass ich selbst einmal für das Land solch  heldenhafte Taten ausführen könnte .

 

Letzte Woche im Laufe einer neuen Runde endloser Debatten über  palästinensische Hetze erhielt ich  eine Email mit Bildern vom Cover eines letzten  Danni-Din-Buches, das 1997 veröffentlich wurde. Der Schreiber dieser Mail, ein israelischer Vater, war schockiert, als er den militaristischen Ton auf dem Cover eines Buches seines Sohnes, eines Zweitklässlers und eifrigen Lesers, sah.  Er hatte das Buch aus der öffentlichen Bücherei mitgebracht.

„Den Präsidenten retten“, die Geschichte von Danni Din, stellte eine neue Heldin vor, Dina Din, das unsichtbare Mädchen. Das Buch hatte eine bizarre Handlung: die unsichtbaren Kinder wurden von  Außerirdischen entführt, nur um nach einer wilden Schlacht zu entfliehen, bei der sie die Kontrolle über die Außerirdischen übernehmen konnten. Zurück zur Erde, konnten sie ein Komplott der Hamas vereiteln: ein fliegender Selbstmordbomber sollte – natürlich auf dem Weg nach Israel -  in das Flugzeug von Präsident Bill hineinfliegen,  mit der Absicht, das Flugzeug zum Absturz zu bringen und alle seine Passagiere zu töten. Wird es unsern unsichtbaren Helden gelingen, den beliebten Präsidenten und die Passagiere des Flugzeuges vordem Tod zu retten?“ fragt das Cover auf der Rückseite des Buches.

 

Danni Dins Krieg gegen arabische Terroristen ist nicht einmalig. Fast jedes Abenteurerbuch, an das ich mich aus meiner Kindheit erinnere, brachte wenigstens ein paar böse Araber (nie wurde das P-Wort erwähnt)  oder gar ganze ägyptische Militärdivisionen. Einige der  Araber in diesen Büchern waren Diebe und Kidnapper, aber die meisten von ihnen waren  einfach nur Terroristen.

Das bekannteste dieser Bücher war die Hassamba-Serie, in der eine Gruppe Kinder vorkamen, die wie eine Geheimarmeeeinheit im Dienste der israelischen Verteidigung arbeitete, und ihre Befehle direkt vom ranghöchsten General bekam. In diesen Büchern geht es nicht um Politik: Während Shraga Gafni, der Autor der Danni-Din-Serie ( als auch vieler anderer israelischer Klassiker) ein Ideologe des politisch rechten Flügels war, war Hassamba’s Yigal Mossinson ein Tel Aviver Künstler. Seine Bücher waren etwas komplizierter, aber der militaristisch-nationalistische Zug war weithin derselbe.

 

Jedes Mal, wenn ich eine israelische Gruppe  über Hetze sprechen höre, denke ich an Danni Din und an Hassamba. Ich erinnere mich auch an Karten von Israel, die wir in der Schule  aufzeichneten; keine von ihnen zeigte die Grüne Linie, nur einen großen glücklichen israelischen Staat vom Meer bis zum Jordan. Niemals zeichneten wir palästinensische Städte ein, nur jüdische Städte. Kann man dies Hetze nennen?

Natürlich gibt es viele Beispiele von harter anti-arabischer Hetze in Israel: Straßen, die nach dem Rassisten Rabbi Meir Kahane und  nach dem Minister Rehavim Zeevi, der die Idee der Umsiedlung hatte, genannt wurden, bis zu den Graffitis und sogar rabbinischen Anordnungen, die zum Töten und Vertreiben der Palästinenser aufrufen. Dies sind offensichtliche Fälle, denen die Leute Aufmerksamkeit schenken. Nun gibt es auch „unschuldige“ Beispiele, wie Kindererzählungen und  Seiten für Vorschulkinder, die etwas von der Ernsthaftigkeit militaristischer und nationalistischer Indoktrination in Israel aussagen. Es ist fast unmöglich, hier aufzuwachsen, ohne dass einem Angst vor und Hass gegen die Araber eingejagt wird, oder ohne die Armee zu verherrlichen.

 

Natürlich hindert das Israelis nicht daran, sich selbst als eine friedensliebende Nation anzusehen. Ich denke, dass die wirkliche Botschaft dieser Bücher tatsächlich die ist, dass wir gegen die Palästinenser kämpfen, weil sie den Frieden verhindern. Wir werden gezwungen, zu erobern und manchmal auch zu töten, um einer größeren, guten Sache willen ( wie z.B. die Luftwaffe vor einem Selbstmordangriff zu schützen.) Ist es nicht das, was man von solchen Gruppen hört,   wie z.B. „Steh mit uns“ oder  „Das Israel Projekt“  - dass das Bekämpfen der Araber an Israels Grenze nicht nur im Interesse Israels liegt, sondern im Interesse der USA oder der Welt?

 

Ich erinnere mich, als ich  die Militärparade zu Israels 40.Geburtstag beobachtete: Das Hauptereignis fand im Nationalstadium in Ramat Gan statt, nicht weit von dem Ort, an dem ich aufwuchs. Ich war 14 Jahre alt und  war äußerst aufgeregt, als meine Eltern uns Eintrittskarten für dieses Ereignis kauften, auch wenn es die billigere von zwei Veranstaltungen war. Es war diejenige, an der die Luftwaffe nicht teilnahm.

 

Hinter uns saß eine andere Familie mit jüngeren Kindern. Ich kann mich noch sehr lebhaft an einen gewissen Moment bei der Militärschau erinnern: Ein Ansager beschrieb die Armee-Einheiten und die gepanzerten Fahrzeuge vor uns und sagte  etwa folgendes : „Die wirkliche Schlacht der IDF ist für Frieden.“  Und das Kind, das hinter mir saß, brach  spontan in  Lachen aus. Es kam ihm doch sehr dumm vor, „für Frieden zu kämpfen“  und sagte dies zu seinem Vater. Danach erklärte ihm sein Vater, warum dieser Ausdruck tatsächlich Sinn macht. Ich erinnere mich daran, wie es mir für das Kind peinlich war, weil es einfach nicht verstand, was die Armee eigentlich soll. Viel später dachte ich daran, dass das Kind Recht hatte: es war ein dummer Satz.

Diese israelische Dialektik von Militarismus und Frieden hätte nicht besser demonstriert werden können als  bei diesen Missionen  am Unabhängigkeitstag  mit den Kindergärten  von 2009. Gleichzeitig wurden mir die Einbände der Danni Din-Bände geschickt. Sie ließen mich an das Bild des berüchtigten  „Selbstmordkindes“ denken, und wie es für viele das Symbol der unmenschlichen palästinensischen Kultur  wird.

 

Ein letztes Wort dazu: es war nicht meine Absicht, hier palästinensische Hetze oder Hassreden zu leugnen oder zu sagen, dass unsere Seite schlechter ist. Politische Indoktrination gibt es auf beiden Seiten. Vielleicht ist dies der Grund, warum Netanyahu sich weigert, die Arbeit des gemeinsamen israelisch-palästinensischen Komitees gegen Hetze  neu aufzunehmen – er weiß, dass es viele Beweise dafür in beiden Gesellschaften gibt.

Ich denke, dass mehr als irgendetwas anderes die Klagen über palästinensische Hetze, Entschuldigungen sind, um wirkliche politische Aktionen auf Seiten Israels zu vermeiden. Ich finde es tatsächlich schwierig, zu glauben, dass  so lang wie die Besatzung andauert – und der Widerstand gegen die Besatzung, der natürlich und gerechtfertigt ist -  wir in der Lage sind, das Problem der „Hetze“ loszuwerden.  Erst wenn wir  den Kern des Konfliktes mit seinen politischen Problemen gelöst haben, wird es uns gelingen, unsere Kinderbücher zu verändern.

 

(dt. Ellen Rohlfs)