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Siedlungsexpansion bedeutet, das palästinensische Volk  aus seinem Land vertreiben.

                              Die Geschichte von Baqa’a bei Hebron

Ahmed Jaradat, Alternatives Informationszentrum (AIC) April 2008

 

Die palästinensischen Dorfbewohner eines kleinen Dorfes in der südlichen Westbank bei Hebron wurden kürzlich von den israelischen Behörden  mit 32 Hauszerstörungsorder bedroht, einschließlich einer noch im Bau befindlichen Klinik. Die Bewohner des Dorfes werden schnell immer ärmer und riskieren, ihre Häuser zu verlieren – um  für die Siedlungsexpansion und den Ausbau der Straße 60 Platz zu schaffen. Zusätzlich zum konfiszierten Land für den Straßenbau, haben die israelischen Behörden  noch eine Pufferzone von 180 Metern auf jeder Seite der Straße festgelegt. Palästinensern ist es verboten, dort ihr eigenes Land zu bebauen.

 

Das Baka’a-Tal, in dem das Dorf liegt, ist  ein schönes und fruchtbares Tal östlich von Hebron – nur eine halbe Stunde Fußweg vom Stadtzentrum entfernt. Das Dorf hatte 60 palästinensische Familien, einschließlich einiger Flüchtlinge von 1948. Die Bewohner waren meistens Bauern, die Getreide anbauten, Weinstöcke, Obst und alte Olivenbäume pflegten. Wo das Land zu steil und felsig zum Bebauen ist, ließen sie Schafe und Esel frei um ihre Häuser weiden.

 

Nach der Eroberung der Westbank und des Gazastreifens durch das israelische Militär kam 1968 die erste  Gruppe jüdischer Siedler nach Hebron und siedelte sich nahe einer Militärbasis an . Heute ist es Kirjat Arba. Diese Siedlung im südlichen Baka’a-Tal und nur wenige Meter von den palästinensischen Häusern entfernt, ist heute die größte Siedlung in diesem Gebiet mit 7000 Bewohnern. Im Norden des Tales liegt die Siedlung Givat Haharsina. Zwischen ihnen verläuft die Straße 60 ( 1996 gebaut) und schneidet so das Tal in zwei Teile. Sie ist die Nord-Südachse, die die Siedlungen mit Jerusalem verbinden und ist für die häufigen Protestdemos der Siedler bekannt. Die auf konfisziertem  palästinensischem Land gebaute Straße ist für Palästinenser jetzt nicht mehr zugänglich.

 

Die Mehrheit der Siedler, die in diesem Gebiet leben, sind mehr durch Ideologie und religiösen Glauben motiviert, als durch wirtschaftlichen Anreiz. Sie glauben streng an die göttliche Mission, das biblische Judäa zu judaisieren.

Seit dem Osloabkommen wurde dieses Gebiet der Zone C zugeschlagen ( unter totaler israelischer Verwaltung und Sicherheitskontrolle.) Das heißt, dass die lokale palästinensische Gemeinde bei der israelischen Verwaltung  um alles Anträge stellen muss, auch um Genehmigungen, ein Haus zu bauen. Dies wurde immer verweigert, einschließlich des Baues einer Klinik, obwohl die Bewohner kaum  Gesundheitseinrichtungen erreichen können … Die Bewohner müssen allerdings Steuern zahlen, für die sie nichts bekommen.

In den letzten 12 Jahren wurden 30 Gebäude von den isr. Behörden zerstört. ICAHD hat  sechs Häuser wiederaufgebaut, drei wurden wieder zerstört und drei haben  noch einmal die Order zur Zerstörung erhalten.

 

Atta Jaber, ein Bewohner des Baqa’a-Tales erzählte uns seine Geschichte:  In diesem Tal geboren, 60 Meter entfernt von seinem neuen Haus, verbrachte er seine ganze Kindheit. Er war zehn Jahre alt, als die Siedler das Gebiet besetzten. Der größte Teil seiner Freunde und Verwandten  zog nach Hebron oder nach Amman, als die Schikanen der Siedler begannen, und verloren ihr Land, weil sich die Siedlungen ausdehnten und die Umgehungsstraße gebaut wurde. Ohne Land, Arbeit und Baugenehmigungen, dachten sie, dass das Weggehen nach sonst wohin die einzige Möglichkeit  für eine einigermaßen anständige Zukunft ist.

Atta Jaber arbeitete mehrere Jahre in Israel, um genug Geld zu verdienen, um zu heiraten und sich ein Haus auf dem Land  zu bauen, das seit Generationen  seiner Familie gehört.

Während des Osloprozesses heiratete er, als viele Palästinenser den nahenden Frieden  und das Ende der Besatzung feierten. 1993 – während der Osloverhandlungen erhielt er von der Zivilverwaltung die Order, den Hausbau zu stoppen, was deutlich machte, dass es den Israelis  mit Verhandlungen nicht ernst ist, dass sie nichts anderes als ein Scharade sind. Während dieser Zeit wurden 60 Abriss-Befehle an Familien im Tal ausgehändigt. Davon waren 440 Personen betroffen.

Gemäß Atta Jaber brachte das Hebroner Gemeindeamt diese Sache vor den palästinensischen Präsidenten Yasser Arafat persönlich, der gerade in Kairo mit dem isr. Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin verhandelte. Sie erreichten ein Abkommen, das die Abrissbefehle zurückgenommen wurden. Aber 1996 erschien derselbe Offizier mit neuen Abrissbefehlen …

Atta Jaber wurde in jener Zeit verhaftet, weil er angeblich auf israelischem Staatland arbeiten würde. Als er eine Kaution von $400  gezahlt hatte, wurde er  aus dem Gefängnis entlassen. Im Februar 1997 kamen israelische Bulldozer zu Attas Haus und zerstörten sein landwirtschaftlich genütztes Land. Im März erhielt er eine Order, sein Haus innerhalb von zwei Stunden zu verlassen, aber die Bulldozer kamen nicht. Sie kamen ein Jahr später, um sein Haus zu zerstören. An jenem Tag wurden 81 Bewohner bei Zusammenstößen mit dem israelischen Militär verletzt. Die israelischen Soldaten hatten den Befehl erhalten, auf die Leute, die Widerstand gegen die Hauszerstörungen leisten, zu schießen.

 

Drei Tage später baute Atta Jaber mit Hilfe der Dorfbewohner und mit ICAHD (Isr. Comitee gegen Hauszerstörungen, Jeff Halper) sein 2. Haus. Durch israelische Freunde wurde dieser Fall auf den Schreibtisch des Ministerpräsidenten Netanyahu gebracht. Nach Quellen unterzeichnete der Ministerpräsident ein Abkommen, das ihm rückwirkend eine Baugenehmigung zusichert. Aber nach 27 Tagen betraten 140 Soldaten sein Grundstück und zerstörten sein Haus noch einmal. Nach Schlägen wurde er  ein 2. Mal verhaftet, ließ seine Frau und seine vier Söhne allein in einem Zelt. Er bat den Offizier, sich um seine nun obdachlosen Söhne zu kümmern. Während der Gerichtsverhandlung verlangte der Ankläger, dass er mit seinem Sohn verhaftet werden solle – die von ihm benütze Waffe habe den Offizier verletzt – sagten sie. Der Richter entließ Jaber erst, als sein Sohn vor Gericht  gebracht würde. Dem Richter  wurde dann klar, dass dieser erst 6 Monate alt ist.

Hier wurde der Fall für erledigt erklärt.

Nach sechs Monaten im Zelt baute Atta Jaber mit Hilfe des Katholischen Menschenrechtszentrum für rechtliche Ressourcen und Entwicklung zum dritten Mal sein Haus auf.

Im Dezember 2000, während die Jabar-Familie noch immer im Zelt lebte, besetzte eine Gruppe Siedler ihr noch nicht fertig gebautes Haus. Die Siedler wurden von israelischen Soldaten erst nach einigen Monaten entfernt. Im Augenblick scheint es so, als hätten die Siedler ein Abkommen mit der Zivilverwaltung, dort weiter leben zu können.

Aber die Siedlerangriffe gehen weiter. Sie kommen bewaffnet, auch während der Nacht, schießen auf   das Vieh und verwüsten das angebaute Land. Jedes Mal rief Atta Jaber die Polizei, die aber erst dann kommt, wenn der Angriff vorüber ist.

 

Die Geschichte der Jaber –Familie ist nur ein Beispiel unter Hunderten jener Palästinenser, die in dieser Gegend leben, sie haben unter ähnlichen Bedingungen dieselben Probleme. Siedler von Kijat Arba und Givat Haharsina sind verantwortlich für eine Menge blinde Zerstörungswut und Gewalt gegen Palästinenser. Die Siedler stehlen die Früchte, zerstören die Wasserzisternen, zerstören Terrassen, lassen ihre Hunde das Vieh jagen, zerstören Weingärten … all dies geschieht mit völliger Straflosigkeit von Seiten der israelischen Behörden….

 

(dt. und stark gekürzt: Ellen Rohlfs)