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GAZA: DIE VERDAMMTEN DIESER ERDE

Jürgen Todenhöfer

20. Juli 2014

https://de-de.facebook.com/JuergenTodenhoefer/posts/10152331064895838

Wie versprochen weitere Bilder aus Gaza. Bitte vergesst Gaza nicht! Vor allem jetzt, wo Netanjahus Bodentruppen Gaza endgültig zerbrechen sollen. Physisch und psychisch.

Mit Panzern gegen die Eselswagen der Tunnelbauer! Es ist absurd. Weiß Netanjahu wirklich, was er tut? Hat er eine zu Ende gedachte Strategie? Oder ist er Gefangener seiner eigenen innenpolitischen Panikmache?

Ich bin kein Freund der Hamas. Und werde es nie sein. Ich kritisiere die Ideologie und die 'Militärstrategie' der Hamas mit Nachdruck.

Aber ich bin ein Freund der Palästinenser. Ich weigere mich schweigend zuzusehen, wie ihre Rechte und ihre Würde mit Füßen getreten werden.

Natürlich hat Israel das Recht auf Selbstverteidigung. Gegen die sinnlose Ballerei der Hamas und anderer Widerstandsgruppen. Unter anderem durch die perfekte Flugabwehr 'Iron Dome'.

Aber Israel hat kein Recht darauf, Hunderte von Häusern dem Erdboden gleich zu machen, ganze Familien auszulöschen, Behindertenheime zu bombardieren, spielende Kinder am Strand und auf Dächern mit Raketen zu töten und Strandcafés in die Luft zu sprengen, in denen Jugendliche sich die Fußballweltmeisterschaft anschauen wollten. Gaza ist die Hölle auf Erden.

Netanjahu hat angekündigt, er werde die Hamas massiv schwächen. Doch er schwächt oder zerstört nicht die Hamas, sondern Gaza und seine Menschen. Völkerrechtlich sind die Bombenmassaker in Gaza Kriegsverbrechen. Keine Selbstverteidigung. Man darf ein Volk nicht kollektiv bestrafen. Das lernt ein Jurastudent in den ersten Semestern.

Am Donnerstag waren wir im israelischen Askhelon. Einem der drei Hauptangriffsziele der palästinensischen Raketen. Der schwerste materielle Schaden, den Askhelon nach Aussagen jüdischer Bürger im Krieg erlitten hatte, war die Zerstörung einer Gartensauna. Wir haben sie selbstverständlich besichtigt. Ich sehe und höre mir immer beide Seiten an. An anderen Orten Israels soll es allerdings auch schwerere Beschädigungen gegeben haben.

Nur ein minimaler Prozentsatz der zum Großteil selbst gebastelten Raketen aus Gaza durchdringt den "Iron Dome", die sensationelle Raketenabwehr Israels. Netanjahu weiß das genau. Doch aus innenpolitischen Gründen erzeugt er trotzdem im eigenen Land eine fast groteske Angstpsychose.

Bis heute Mittag, Sonntag 12.00 Uhr palästinensischer Zeit, töteten die israelischen Raketen 404 Palästinenser und verletzten mindestens 2815. Die Zahl steigt und steigt. 75 Prozent sind unschuldige Zivilisten.

Die 'Raketen' der Hamas töteten 2 Israelis und verletzten 7. Seit der israelischen Bodenoffensive starben weitere 4 Israelis.

Wer trotzdem die hohe militärische Sicherheit Israels mit der dramatischen Gefahrenlage und dem unendlichen Leid Gazas gleichsetzt, täuscht die Weltöffentlichkeit. Nur in Gaza herrscht Krieg, nicht in Israel. Alles andere ist Propaganda.

Muss die internationale Politik nicht endlich auf das zum Himmel schreiende Unrecht in Gaza reagieren? Brauchen wir nicht UNO- Sanktionen gegen Israel wie einst gegen Südafrika und heute gegen Russland? Nicht ich, sondern John Kerry sprach schließlich von einem Apartheidsstaat. Darf man derartige Fragen überhaupt noch stellen? Gilt der Grundsatz "Gleiches Recht für Alle" noch?

Wäre es nicht klüger, wenn Netanjahu endlich einmal auf Augenhöhe mit Hamas verhandeln würde? Sind drei mörderische Gazakriege in sechs Jahren nicht genug? Es ist doch offensichtlich, dass sich der Gazakonflikt nicht durch gegenseitigen Raketenbeschuss und durch das Einsperren von 1.8 Mio Palästinensern lösen lässt.

Oder sollten sich die Verantwortlichen beider Seiten nicht einfach einmal irgendwo treffen und sich gegenseitig massakrieren, statt die Bevölkerung Gazas zu quälen?

Noch in Tausenden von Jahren wird man sich die Geschichte der Gefangenen von Gaza erzählen. Dieses gedemütigten und entrechteten kleinen Volkes, das von einem benachbarten Herrenvolk in einem großen Käfig gehalten wurde. Dem das Herrenvolk den Strom abdrehte, wann es ihm gefiel.

Man wird berichten, dass die Menschen von Gaza begannen, wie Maulwürfe Tunnel in Nachbarländer zu graben, um manchmal für ein paar Tage oder Stunden Freiheit zu schnuppern. Um nicht immer wie Untermenschen zu leben, gingen sie unter die Erde. Wie paradox!

Natürlich gruben sie die Tunnel in erster Linie, um nicht auf Waren und Medikamente verzichten zu müssen. Und um sich verteidigen zu können. Oder so zu tun als ob.

Man wird der staunenden Nachwelt berichten, dass keiner der Weltpolitiker jener Zeit, die ständig über Menschenrechte sprachen, aufschrie, protestierte, einschritt. Dass niemand mit den Menschen von Gaza weinte. Mit den Müttern, deren zu Tode gebombte Kinder in ihren Armen starben.

Ewig wird man über die Schande von Gaza sprechen. Über die herablassende, respektlose Unterdrückung und Demütigung seiner Bevölkerung durch den Nachbarn Israel. Über das Versagen der Weltöffentlichkeit angesichts ihrer Behandlung als Menschen dritter Klasse. Jean Paul Sartre würde sagen als "Halbaffen".

Wenn ich an Gaza denke, schäme ich mich für die Tatenlosigkeit unserer Welt. Auch für meine eigene Hilflosigkeit. Wir versagen alle.

Seit vorgestern sind wir wieder in Deutschland. Jeden Tag erhalte ich Mails, in denen ich gefragt werde, wie lange ich es noch die 'Chuzpe' besäße, der öffentlichen Meinung des Westens zu widersprechen. Meine Antwort lautet: Ich finde das Leben zu kurz, um ständig um die Wahrheit herumzureden.

Jeden Tag kommen auch Morddrohungen. Wir haben aufgehört, sie zu zählen.

Jede Minute denke ich an die Menschen in Gaza, an die Verdammten dieser Erde. Am liebsten würde ich gleich wieder zu ihnen hinfahren.

Euer JT