Jonathan Ben-Artzi, guardian.co.uk, 18.Mai 2009-05-21
Vor kurzer
Zeit feierte Israel 61 Jahre seines Bestehens. Auf jeder Geschichtstabelle ist
dies keine lange Zeit. Ja es ist nur ein kleiner Punkt in der modernen
Geschichte. Und die meisten Israelis
haben tatsächlich ihre Zweifel, ob Israel weitere 61 Jahre überleben
werden. Doch genau diese Israelis
schlagen keinen Weg vor, wie Israel diese schlimme Aussicht vermeiden kann.
Die letzte
Generation Israelis hat wenig Veränderungen in der
Zusammensetzung des Parlamentes, der Regierung und dem Obersten Gerichtshof
wahr genommen. Die Routine in Washington
über Frieden zu reden, während Siedlungen in der Wes6tbank erweitert werden,
gehört seit 20 Jahren zu unserem Leben. Wenn überhaupt ( sich
etwas verändert hat) , dann ist die
Situation nur schlimmer geworden, Globalisierung und Moderne gerieten immer
schneller in das tägliche israelische Leben. Junge Israelis, die nicht mehr an
ihre Zukunft denken wollen, finden ihren Seelenfrieden bei langen Reisen nach
Ostasien und Südamerika, und wenn sie dann nach Israel zurückkehren versinken
sie den Tag über im HD –Fernsehen und
bei Nacht in Nachtclubs. Sie tun alles, um der Realität aus dem Weg zu
gehen.
Und die
Realität ist doch so nahe. Für die meisten von uns Israelis ist sie nicht
länger als eine Autofahrt von 20 Minuten
bis zum nächsten Checkpoint entfernt, der das eigentliche Israel von den
besetzten Gebieten trennt. Und jenseits dieser Checkpoints findet man Menschen,
Palästinenser, die in großen Open-Air-Gefängnissen leben, die eigentlich Städte
voll pulsierendem Leben sein sollten. Wir halten diese Gefängnis-Städte fest im
Griff und bauen Mauern um sie , wir
schicken Soldaten, die Ausgangssperren erzwingen und wir schießen
Artilleriegranaten in dicht bevölkerte Wohngebiete -- und schließlich werden wir den Preis bezahlen.
Egal wie
viel Schmerz, Trauer und Zerstörung wir über die Palästinenser bringen – eines
ist klar – sie sind noch immer da. Zwischen
dem Jordan und dem Mittelmeer leben heute etwa die
selbe Anzahl von Juden und
Nicht-Juden. Da der jüdische Siedlungsbau in der Westbank sich weiter ausdehnt,
wird die sog. „Zwei-Staatenlösung“ praktisch immer unmöglicher. Wenn es zu keiner
„Zwei-Staatenlösung“ kommt, muss sich die
Welt damit abfinden, dass eine jüdische Minderheit über eine palästinensische
Mehrheit herrscht.
Solch eine
Situation wird nicht lange dauern, und
auf die eine oder andere Weise wird Israel zu existieren aufhören, wie
wir wissen.
Alle in den
letzten 20 Jahren unterzeichneten Friedensabkommen, versuchten „von Grund auf“
Frieden zu schaffen: man begann mit kleinen vertrauensbildenden Maßnahmen und
ging langsam zu den größeren Problemen über. Alle sind fehl geschlagen.
Es gibt
einen eindeutigen Grund dafür, warum alle Versuche misslungen sind: die Palästinenser wurden
immer als die Untergeordneten/ Minderwertigen angesehen und jedes Abkommen, das mit ihnen geschlossen
wurde, wurde als israelische Konzession betrachtet und nicht als ein
palästinensisches Recht. Solange die Israelis die Palästinenser nicht als
Menschen mit gleichen Rechten sehen, kann wirklicher Friede nicht
erreicht werden. Dies ist vielleicht das größte Hindernis, das wir
überwinden müssen.
Leider muss sich dieser Wandel der ( inneren) Einstellung von oben nach unten vollziehen:
unsere Politiker müssen uns zeigen, dass
sie ihre palästinensischen Partner als Gleiche – auf gleicher Augenhöhe -
behandeln. Sie müssen uns zeigen, dass sie
die demokratische Wahl der Palästinenser respektieren; sie müssen uns
zeigen, dass sie die Menschenrechte achten, egal um welche Menschen es sich
handelt.
Unsere
Behandlung der Palästinenser verursacht nur Wut, Zorn und Frustration in ihrer
Bevölkerung. Diese Gefühle wiederum werden zu Hass und motivieren zu
Racheakten.
Die
USA ist während der letzten Jahre
in einem ähnlichen Dilemma: Zorn in der
arabischen Welt gegen die amerikanischen
Untaten im Nahen Osten. Den Amerikanern gelang es nun
, einen großen Wandel zu vollziehen, indem sie einen Präsidenten
wählten, der nicht Ängste schürt ,
sondern eher Gespräche sucht anstelle
von Zerstörung. Die Aufgabe ist noch
nicht erfüllt.
Jetzt ist
es für die USA an der Zeit, diese Bemühungen in Angriff zu nehmen und auch
Israel und den ganzen Nahen Osten in eine neue Hoffnung mit einzubeziehen, die Palästinenser als
Gleiche zu behandeln, über die „Großen Probleme“ zu sprechen, und alle Seiten
an den Diskussionen zu beteiligen.
Das wäre ein wichtiger Schritt zu einem
wahren und anhaltenden Frieden.
(dt. Ellen
Rohlfs)