6. Dezember 2008
Die
folgenden bescheidenen Vorschläge gründen sich auf meine 70 Jahre langen
Erfahrungen als Untergrundkämpfer, als
Soldat einer Sondereinheit im Krieg 1948, als Herausgeber eines
Wochen-Magazins, als Mitglied der Knesset und Gründungsmitglied der Friedensbewegung:
(1)Was den israelisch-arabischen
Frieden betrifft, sollten Sie von Tag eins an handeln.
(2)Die israelischen Wahlen
finden im Februar 2009 statt. Sie könnten einen indirekten, aber wichtigen und konstruktiven Einfluss auf das Ergebnis
haben, indem Sie Ihre unmissverständliche Entschlossenheit verkünden, 2009 einen israelisch-palästinensischen,
einen israelisch-syrischen und einen israelisch-gesamtarabischen Frieden zu
erreichen.
(3)Leider haben alle ihre
Vorgänger seit 1967 ein doppeltes Spiel getrieben. Während sie für den Frieden
Lippenbekenntnisse abgaben und zuweilen scheinbar Schritte in Richtung Frieden
machten, unterstützten sie in der Praxis unsere Regierungen und gingen so in
die falsche Richtung. Insbesondere waren sie stillschweigend mit dem Bau und
der Vergrößerung der israelischen
Siedlungen in den besetzten
palästinensischen und syrischen Gebieten einverstanden. Jede der Siedlungen ist
eine Landmine auf dem Weg zum Frieden.
(4) Alle Siedlungen sind
nach dem Völkerrecht illegal. Die Unterscheidung, die manchmal zwischen
„illegalen“ Außenposten und anderen Siedlungen gemacht werden, ist ein
Propagandatrick, mit der Absicht, diese simple Wahrheit zu verdunkeln.
(5)Alle seit 1967 gebauten
Siedlungen sind ausdrücklich zu dem Zweck gebaut worden, um einen palästinensischen
Staat – und so auch Frieden – unmöglich zu machen, indem das Gebiet des
zukünftigen Staates Palästina in Streifen und Stücke geschnitten wurde.
Praktisch haben alle Regierungsabteilungen und die Armee offen oder insgeheim
beim Bauen, Festigen und Erweitern der Siedlungen geholfen – wie ein
Bericht der Anwältin Talia
Sasson für die Regierung (!) im Jahre 2005 bestätigt.
(6) Bis jetzt hat die Zahl
der Siedler in der Westbank etwa 250 000 erreicht (abgesehen von den 200
000 Siedlern im Raum Groß-Jerusalem, deren Status etwas anders ist.) Sie sind
politisch isoliert und werden von der Mehrheit der israelischen Öffentlichkeit abgelehnt – sogar
verabscheut. Sie werden aber von der Armee und den Regierungsministerien
unterstützt.
(7) Keine israelische Regierung
würde es wagen, sich gegen die konzentrierte politische und materielle Macht
der Siedler zu stellen. Solch eine Konfrontation würde eine sehr starke
Führung und die uneingeschränkte Unterstützung
des Präsidenten der USA voraussetzen, damit sie eine Chance auf Erfolg
hat.
(8)Solange dies fehlt, sind
alle „Friedensverhandlungen“ Heuchelei. Die israelische Regierung und
ihre US-Unterstützer haben alles getan, um
zu verhindern, dass die Verhandlungen zu Abkommen mit den Palästinensern
und den Syrern führen, aus Furcht vor einer Konfrontation mit den Siedlern und
deren Unterstützern. Die gegenwärtigen
??? „Annapolis“-Verhandlungen sind so nichtssagend wie alle vorausgegangenen. Jede Seite macht
bei dem Spiel mit, jede aus eigenen politischen Interessen.
(9) Die Clinton-Regierung und
noch mehr die Bush-Regierung erlaubten der israelischen Regierung, dieses Spiel fortzuführen.
Deshalb ist es dringend notwendig, Mitglieder dieser Regierungen daran zu
hindern, die Nahost-Politik in die alten Kanäle zu lenken.
10.) Es ist sehr wichtig für Sie, einen völlig
neuen Start zu machen und dies auch
öffentlich deutlich zu machen.
Diskreditierte Ideen und fehlgeschlagene
Initiativen –
wie die der Bush-„Vision“, der
Road Map, der Annapolis- Initiative und ähnliche – sollten
auf
den Schrottplatz der Geschichte geworfen werden.
11.) Um einen neuen Start zu
machen, sollte das Ziel der amerikanischen Politik kurz und bündig dargelegt werden. Etwa so:
Einen Frieden auf Grund einer Zwei-Staaten-Lösung innerhalb einer bestimmten Zeitspanne – sagen wir bis Ende
2009 – zu erreichen.
12.) Es sollte darauf hingewiesen
werden, dass sich dieses Ziel auf eine Neubewertung der amerikanischen nationalen Interessen gründet, um das Gift aus den
amerikanisch-arabischen und amerikanisch-muslimischen Beziehungen zu ziehen, um
die friedensorientierten Regime zu stärken, den Al-Qaeda-artigen
Terror zu besiegen, den irakischen und afghanischen Krieg zu beenden und mit dem Iran eine
realisierbare Übereinkunft zu erreichen.
13.) Die Bedingungen für einen israelisch-palästinensischen
Frieden sind klar. Sie haben sich in Tausenden von Stunden in Verhandlungen, Konferenzen,
Treffen und Gesprächen zwischen den
beiden Seiten herauskristallisiert. Es sind folgende:
a)
ein
souveräner und lebensfähiger Staat Palästina wird Seite an Seite mit dem
Staat Israel errichtet.
b)
Die
Grenze zwischen den beiden Staaten wird sich auf die Waffenstillstandlinie von
1949 gründen (die „Grüne Linie“). Geringfügige Veränderungen können bei
gegenseitigem Einverständnis mit einem Gebietsaustausch auf der Basis von 1:1
erfolgen.
c)
Ost-Jerusalem, einschließlich des Haram-al-Sharif
(„Tempelberg“) und alle arabischen Stadtteile werden zur Hauptstadt Palästinas.
West-Jerusalem, einschließlich der Klagemauer und alle jüdischen Stadtteile
werden zur Hauptstadt Israels. Es wäre wünschenswert, eine gemeinsame Stadtverwaltung, die auf Gleichheit
basiert, mit gegenseitiger Übereinstimmung
zu errichten, damit die Stadt als territoriale Einheit verwaltet werden
kann.
d)
Alle
israelischen Siedlungen - außer
denen, die im Rahmen gegenseitigen Einvernehmens gegen Gebiete ausgetauscht
wurden – werden evakuiert werden ( s. unter 15.)
e)
Israel
wird im Prinzip das Rückkehrrecht der Flüchtlinge
anerkennen. Eine gemeinsame „Kommission für Wahrheit und Versöhnung“, aus
palästinensischen, israelischen und internationalen Historikern zusammengesetzt, werden die Ereignisse von
1948 und 1967 untersuchen, wer für was verantwortlich war. Jedem einzelnen
Flüchtling soll die Wahl gegeben werden 1.zwischen Rückkehr in den Staat
Palästina, 2. dort zu bleiben, wo er/sie
jetzt lebt und eine großzügige Kompensation erhalten. 3. Rückkehr nach
Israel und dort wieder neu angesiedelt werden, 4. auswandern in ein anderes
Land mit großzügiger Kompensation. Die
Zahl der Flüchtlinge, die in israelisches Land zurückkehren können, wird durch
gegenseitiges Einvernehmen festgelegt –
mit dem Einverständnis, dass nichts getan wird, was die demographische Zusammensetzung der
israelischen Bevölkerung wesentlich verändert. Die großen Geldmittel, die für
die Erfüllung dieser Lösung nötig sind, müssten von der internationalen Gemeinschaft
im Interesse des Weltfriedens aufgebracht werden. Dies würde viel Geld sparen,
das heute für militärische Ausgaben
und als direkte Subventionen aus den USA ausgegeben wird.
f)
Die
Westbank, Ost-Jerusalem und der Gazastreifen stellen eine nationale Einheit
dar. Eine exterritoriale Verbindung (Straße, Bahn, Tunnel oder Brücke)
wird die Westbank mit dem Gazastreifen verbinden.
g)
Israel
und Syrien werden ein Friedensabkommen unterzeichnen. Israel wird sich
zu der Grenzlinie von vor 1967 zurückziehen, und alle Siedlungen auf den Golanhöhen
werden aufgelöst. Syrien wird mit allen
anti-israelischen direkten oder indirekten Aktivitäten aufhören. Beide Parteien
werden normale Beziehungen mit einander aufbauen.
h)
In
Übereinstimmung mit der Friedensinitiative von Saudi-Arabien, erkennen alle Mitglieds- Staaten
der arabischen Liga Israel an und bauen
normale Beziehungen mit ihm auf.
Gespräche über eine zukünftige Nahost-Union – nach dem Modell der EU –
die möglicherweise auch die Türkei und den Iran einschließen, können in
Betracht gezogen werden.
14.) Die palästinensische
Einheit ist für den Frieden wichtig.
Nur mit einem Teil des Volkes Frieden zu schließen, hat keinen Sinn. Die
USA werden nichts tun, um die palästinensische Versöhnung und den Einigungsprozess der palästinensischen
Strukturen zu verhindern.
Zu
diesem Zweck wird die USA ihren Boykott der Hamas beenden, die die letzten
Wahlen gewonnen hatte, einen politischen Dialog mit der Bewegung beginnen und
Israel ermutigen, dasselbe zu tun. Die USA werden jedes Ergebnis demokratischer
palästinensischer Wahlen respektieren.
15.) Die USA werden der Regierung
Israels helfen, mit dem Siedlungsproblem fertig zu
werden. Den Siedlern wird von jetzt an ein Jahr Zeit gegeben, die
besetzten Gebiete
freiwillig zu verlassen und dafür eine Kompensation erhalten, die ihnen
erlaubt, ihr
Haus
im eigentlichen Israel zu bauen. Danach werden alle Siedlungen evakuiert –
außer
denen, die nach einem Friedensabkommen Israel angeschlossen werden.
16.) Ich schlage vor, dass Sie als Präsident der Vereinigten Staaten
nach Israel kommen und sich persönlich
an das israelische Volk wenden – nicht nur vom Rednerpult der Knesset aus,
sondern bei einer Massenrallye auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv. Präsident Anwar Sadat von Ägypten kam 1977 nach Israel und hat, als er sich direkt an das israelische
Volk wandte, seine Haltung zu einem Frieden mit Ägypten völlig verändert. Im
Augenblick fühlen sich die meisten Israelis unsicher und haben Angst vor jeder
gewagten Friedensinitiative, zum Teil wegen eines tiefen Misstrauens gegenüber
allem, was von der arabischen Seite kommt. Ihre persönliche Initiative zu einem
sehr entscheidenden Zeitpunkt könnte buchstäblich Wunder wirken, indem Sie die
psychologische Basis für Frieden schaffen könnten.
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Dieser Text
ist in der neuen Ausgabe des
progressiven jüdisch-amerikanischen Magazins TIKKUN veröffentlicht worden.
(dt.
Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)