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Prof. Dr. Rolf Verleger

30. Juli 2014

Rede auf der von der Deutsch-Arabischen Gesellschaft organisierten Kundgebung am 30. Juli 2014 vor Schloss Bellevue in Berlin.



Mein Vater hatte Auschwitz überlebt, meine Mutter die KZs im Baltikum. Sie zogen mich in der Erkenntnis auf, dass es die Wahl zwischen Gut und Böse gibt und jeder Mensch für seine Taten verantwortlich ist: Sie erzogen mich in der Ethik der jüdischen Religion.

Für weite Teile des heutigen Judentums gelten heute alternative Ethiken. Eine davon – das ist die für Deutschland kompatible Variante - lautet: Wir Juden seien vor allem eines: Opfer. Aktuell sei der Staat Israel das Opfer unverständlicher Hassausbrüche von Arabern und von Antisemiten.

Ich würde gern all diese Leute, die so etwas sagen, Folgendes fragen:

Die Tatsache, dass keiner meiner Großeltern das Dritte Reich überlebt hat, - gab sie 1947/48 den jüdischen Freischärlern und der israelischen Armee das Recht, Hunderttausende Araber aus Israel zu vertreiben?

Die "Arisierung" des Berliner Grundstücks meines Urgroßvaters - gab sie dem Staat Israel das Recht, Anfang der 50er Jahre den Boden und Besitz der arabischen Vertriebenen zu konfiszieren?

Die Ermordung meiner Onkel und Tanten durch die SS - gibt sie dem Staat Israel das Recht, seit 47 Jahren die Diktatur eines Besatzungsregimes auszuüben?

Die Erschießung meiner Großmutter Hanna dafür, dass sie in Berlin ohne Gelben Stern zum Friseur ging - gibt sie dem Staat Israel aktuell das Recht, die Bevölkerung Gasas auszuhungern und zu massakrieren?

Allgemein: Gibt die Tatsache, dass wir europäischen Juden Opfer eines großen Unrechts wurden, dem jüdischen Staat vor Gott und vor den Menschen das Recht, nun Anderen Unrecht zu tun?

 
Nun möchte ich noch zwei Dinge sagen:

Erstens möchte ich auf eine Demonstration hinweisen, die heute um 18h am Heinrichplatz stattfindet, organisiert von Israelis. Eine der Forderungen ist „Ende der automatisch für die israelische Seite garantierten deutschen Unterstützung, sei es militärisch oder politisch“. 

Zweitens möchte ich Kaddisch sagen, das traditionelle jüdische Totengebet. Ich sage es für die Toten in Gasa, und auch – im Tod sind alle gleich – für die toten israelischen Soldaten, auch wenn sie für eine ungerechte Sache gestorben sind.

Jitgadal weJitkadasch schmej-raba ...