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Der palästinensische Architekt Omar Yousef
findet Politisches selbst in den technischsten Angelegenheiten.
Esther Zandberg, Haaretz, 29.Juli 2010
Die palästinensischen
Architekten werden oft gebeten , ihre Inspirationen aus der
großen islamischen Tradition und dem lokalen kulturellen Erbe zu holen,
sagt der palästinensische Architekt Omar Yousef mit einer Spur Sarkasmus.
Sein lokales Erbe ist nicht
der Alhambra-Palast oder die Moscheen in Istambul, sondern eher der übervölkerte
Stadtteil von Silwan, Ost-Jerusalem, wo er aufwuchs und Shuafat, wo er jetzt
lebt und arbeitet, sagte er. Es ist eine Architektur des Chaos, der
Überbevölkerung, der Instabilität, des Provisoriums und der Zerstörung,
improvisierte Anbauten und ein Trennungszaun. Es ist eine Architektur
der Diskriminierung, der Kontrolle und Überwachung.
„Diese Ästhetik ist
notwendigerweise kein Ausdruck von Schwäche,“ sagte Yousef, sondern eine
authentische Reaktion auf Bedürfnisse, ein Zeugnis für den Überlebensinstinkt
der palästinensischen Gesellschaft. Es ist Architektur ständiger Opposition und
kann nach westlichen Standards nicht schön sein und das Material mag nicht dem
lokalen Klima angemessen sein, aber es hilft, eine menschliche Umwelt zu
schaffen. Es verleiht mir den Glauben an unsere Fähigkeit zu überleben.“
Er nennt den Stil, den er
aus diesen Inspirations-Quellen formt „ der Missklang eines Flüchtlings.“ Das
Gebäude des Roten Kreuzes in Ramallah, das er entwarf, fasst diesen Geist
zusammen: eine Mischung von Stilen, Anstrich und Oberfläche, schrägen Mauern
mit wahllosen Winkeln.
Er ist davon überzeugt,
dass die Gestalt eines Gebäudes mit seiner Geschichte zusammenhängt und eine
Botschaft darstellt.
„Ich fühle die
Verpflichtung , meine Architektur als endlose Opposition zu schaffen. Außer,
dass ich einer Gesellschaft unter Besatzung angehöre, bin ich Teil einer
Gesellschaft in ständiger Opposition. Die Botschaft hinter dieser Opposition an
die Palästinenser ist OK, wir machen eine schwere Zeit durch, aber es ist die
Zeit gekommen, die Stücke aufzulesen und etwas damit anzufangen, eure Kollage
zu unserer Kollage zu machen.
Yousef, ein Professor und
der Vorsitzende des akademischen Programmes der Jerusalemer Studien der
palästinensischen Al-Quds-Universität in Jerusalem ist ein Gast der jährlichen
ECO-Woche-Konferenz über grüne Architektur, Allgemeinheit und Nachhaltigkeit im
Nahen Osten, die in dieser Woche in Israel durchgeführt wird.
Er ist eine prominente
Persönlichkeit des israelisch-palästinensischen Architekturdiskurses, der kurz
in der Euphorie des Oslo-Abkommens aufblühte.
Er ist unerbittlich
kritisch: „ Ist ein israelischer Planer nicht mehr als ein Militär in
Verkleidung, der den Krieg am Zeichentisch fortsetzt?“ fragt er rhetorisch
während eines Interviews, aber er ist auch bereit, sich in einen Dialog
einzulassen.
Seine Stimme sollte auch
jenseits des begrenzten Forums von Architekten gehört werden, die Konferenzen
der Kooperation besuchen und ein Teil des Chores sind. Er ist ein aktives
Mitglied der Jerusalemer palästinensischen Organisation, dem Internationalen
Friedens- und Kooperationszentrums, das 1998 errichtet wurde, um zivile
Ermächtigung in der palästinensischen Gesellschaft zu schaffen hinsichtlich der
Pläne in Jerusalem, während man das Ende der Besatzung oder die „Normalisierung“
im Gespräch außen vor ließ.
Yousef fügte – wie
vorauszusehen war – politische und soziale Elemente der ökologischen Konferenz
hinzu, angeblich eine professionelle, technologisch orientierte Angelegenheit.
Im Programm stand, er würde über ein neutrales Problem, die Umwelt betreffend,
reden: „Wasser-Aufbewahrung in Häusern im Gazastreifen“.
In einem Interview vor der
Konferenz gab er einen Hinweis auf seinen Vortrag. Er war neugierig oder
ziemlich skeptisch „ ob es nur wieder
noch eine israelische Konferenz mit einem kleinen palästinensischen
Dekor sein würde, wie so oft in den Tagen von Oslo.“
Und nach dem ersten Tag der Konferenz in der Tel Aviver Universität ist
es schwierig zu sagen, ob irgend ein prominenter Palästinenser anwesend war.
Obwohl ich feststelle, dass
sie in Israel letztens eine Menge
über Ökologie geredet haben, ist es unmöglich darüber zu reden, ohne den
Konflikt zu erwähnen,“ sagte er.
Schließlich nannte er
seinen Vortrag: „Recycling von Wasser im Gazastreifen: Diskrepanz zwischen
nachhaltiger Ökologie und der
Besatzung.“ Er entsprach den Erwartungen.
„Ich hörte allen
bis jetzt gehaltenen Vorträgen zu“ begann Yousef seinen Vortrag. „Sie
waren interessant und ich erfuhr eine Menge. Aber ich bin überrascht von der
„Normalisierung“. Hier geht alles so gut. Ich komme von einem anderen Ort, von
dem Ort der Mauer, und wenn man die Besatzung rund um den Hals hat, sehen die
Dinge anders aus.“
Dort sieht die Ökologie
weniger „grün“ aus und viel politischer, als die Leute zugeben wollen. Viele
Palästinenser sind gegen Ökologie, sagte Yousef; Sie sehen
sie als ein Symbol der Besatzung. Der palästinensische Wasserverbrauch
pro Person ist im Durchschnitt ein Drittel von dem, was Israelis pro Kopf
verbrauchen – nach einem Bericht von B’tselem, der israelischen
Menschenrechtsorganisation in den besetzten Gebieten.
Sie sind unfreiwillig
ökologisch, sie sind nicht bereit, die Umweltprinzipien zu akzeptieren, weil sie
sich sagen, sie wollen keine Ressourcen für die Besatzung sparen. Die Besatzung
gibt also die Rechtfertigung, nachhaltige Umweltprinzipien
zurück zu weisen, und so sind beide, die Palästinenser und die Israelis
ihre Umweltopfer,“ sagte er.
Ironischerweise ist Gazas
Bevölkerung unfreiwillig ökologisch
sehr umweltbewusst und die
Verbraucherwelt könnte von ihr lernen, sagte er. Aus Mangel am üblichen
Baumaterial bauen sie Häuser aus Schlamm und Stroh. Aus Mangel an Mülldeponien,
benützen sie altes Zeug um Kinderspielplätze zu bauen und recyceln überfließende
Abwässer zur Bewässerung von Gemüsefeldern (Permakultur),“ sagt Yousef.
„Sie haben außerordentliche
Erfahrungen mit Müll,“ sagte er.
Bei der Konferenz stellte
er ökologische Infrastrukturunternehmen vor;
Wasser- und Abwässer-recycling-Projekte im Gazastreifen förderte er in
Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinden, als er noch in den Gazastreifen gehen
konnte.
Es ist Architektur während
einer Belagerung, keine High-Tech-ökologische Architektur. Es ist kein
Material vorhanden, keine Vorräte, und das war noch, bevor die Hamas im
Gazastreifen zur Macht kam,“ sagte er…..
„Nach Oslo ging es um die
Errichtung von zwei Staaten für
zwei Völker, aber die Realität war ein pockennarbiges, nicht zusammenhängendes
Gebiet, ohne Souveränität und Kontrolle der Ressourcen; es war sehr schwierig,
durch dieses Gebiet zu fahren, es waren Inseln in einem Meer von israelischer
Herrschaft, was totale Verzweiflung verursachte.
Die palästinensisch
städtische Ökologie besteht aus
Inseln der Zone A und Zone B, die in einem Meer von Zone C unter israelischer
Kontrolle schwimmen. Selbst wenn die Palästinenser das Geld und das Know-how
hätten, die undichte Wasserinfrastruktur und das schlechte Abwässersystem zu
reparieren – solange sie nicht die israelische Genehmigung bekommen, was nützt
es ihnen? Die ökologische Technik ist also nicht das Hauptproblem,“ sagte er.
Yousef, 54, studierte
Architektur und arbeitete in Bukarest und Berlin und
promovierte an der Universität von Kalifornien.
„Ich floh nach der großen
Enttäuschung von Oslo dorthin und nach der zweiten Intifada,“ sagte er. Seine
Doktorarbeit war über „Die städtische Morphologie des Konfliktes“
und konzentrierte sich auf Jerusalem.
Im Geist des
Internationalen Friedens- und Kooperationszentrums, glaubt Yousef auch, dass das
Planen ein zentrales Problem des Konfliktes sei und
dass unmittelbare Ergebnisse nötig seien vor politischen Errungenschaften
und einer umfassenden Lösung des Konfliktes.
Im Zentrum steht die
Arbeit, städtische Gesamtpläne zu ändern, Hauszerstörungen zu verhindern und
herauszufinden, wo palästinensische Häuser legal gebaut werden können. Wir sind
davon überzeugt, dass es noch eine Möglichkeit gibt,“ sagte er.
Viele Palästinenser sagen,
dass sie schon bei der Madrider
Konferenz (1992) wussten, dass Verhandlungen nun auf lange andauen werden, und
dass am Ende ihnen eine Lösung
auferlegt werden wird, die sich darauf gründet, wie sie für die Israelis passend
erscheint.
„Ich bin etwas
optimistischer als diese. Ich bin davon überzeugt, wenn
wir die Methoden besser kennen, dann können wir die Barriere, mit der
herrschenden Macht nicht zusprechen, brechen und vielleicht sind wir dann zu
legalem alternativen Planen und Bauen fähig. Wenn die Palästinenser ihre urbanen
und zivilen Rechte kennen, werden sie Erfolg haben, vielleicht im Obersten
Gerichtshof.
In Jerusalem zahlen wir 33
% der Gemeinde-Steuern, also haben wir auch Rechte. Ich hoffe und rechne nicht
mit großen Erfolgen, aber wir
können dieses Stadium nicht überspringen, selbst wenn es nur einem kritischen
Standpunkt dient.
Palästinensische
Architekten entwerfen zur Zeit nur
kleine Projekte – eine Menge Renovierungen und privater Häuser, „ in der Art,
wie sie jeder Gymnasiast entwerfen kann,
sie sind kaum mit
Gesamtplänen beschäftigt, sicher nicht mit Plänen, die genehmigt würden.
Das wichtigste Gebäude, das
seine Firma entworfen hat, ist die Qattanische Bücherei und das Kinderzentrum in
Gazastadt, nachdem sie einen Architektenwettbewerb gewonnen hatte. Das Zentrum
wurde 2005 eingeweiht und schließt eine Bücherei, ein Informationszentrum und
ein Theater ein. Im Zentrum des Baus ist eine überdachte Straße wie in einem
mediterranen Basar, eine lokale und persönliche Interpretation traditioneller
und moderner architektonischer Archetypen,“ sagte er.
Yousef ein israelischer
Bürger kann den Gazastreifen nicht betreten und hat deshalb das Gebäude noch
nicht fertig gesehen. Er sah es auf Fotos und dass es während der Operation Cast
Lead nicht zerstört wurde.
Yousef will heute an einer
anderen grünen Diskussionsrunde in
Verbindung mit der zweiten „Internationalen Biennale of Landscape Urbanism“ in
Bat Yam teilnehmen mit dem Titel:
„Stadt-Raum: Zeit, Ökonomie und Ökologie!“ es wird in Mirpesset am Strand von
Bat Yam stattfinden.
Yousef kennt Bat Yam, das
mit dem Konflikt nicht direkt verbunden ist, nur wenig. Trotzdem wird er über
ein Thema sprechen, das bis jetzt
noch keiner anzusprechen wagte.
„Die Situation von Bat Yam
und Jaffa erinnern ein wenig an Nazaret und Ober-Nazareth“, israelische
palästinensische Bewohner aus Jaffa werden nach Bat Yam umziehen, wenn sie es
nicht schon getan haben, weil es dort billiger ist. Wir müssen also darüber
nachdenken, um in Zukunft Reibungen zu vermeiden und
den Prozess als eine Möglichkeit zu akzeptieren, die demographische und
ökologische Verschiedenheit in Israel-Palästina zu bereichern. Soziale Ökologie
ist nicht nur das Wiederverwerten von Wasser.“
( dt. Ellen Rohlfs)