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An  das palästinensische Idol  - von einem früheren  israelischen IDF-Soldat

Natan Odenheimer, 8. 7. 13

Washington,DC

Lieber Mohammad Assaf, Du magst dich wundern, warum ich, ein junger Israeli, an Dich den Gewinner des arabischen Idols aus Gaza schreibe.

Du magst denken, wir sind doch sehr verschieden. Stimmt. Wir sind aufgewachsen – nur eine Stunde voneinander entfernt --aber lebten  Lichtjahre voneinander getrennt, du in Gaza und ich in Jerusalem. Bei jeder Straßenkreuzung nahmen wir verschiedene Wege. Mit 20 hast du bei Hochzeiten gesungen, während ich beim israelischen Militär diente. Doch haben  wir viel gemeinsam: wir sind beide jung, wir haben  zu viel Blut gesehen und wir nennen beide dieses Stück Land unsere Heimat.

Du bist heute der verehrteste junge Palästinenser. Als du beim Arabischen  Idol-Finale  gesungen hast, erfreutest Du Araber und Nicht-Araber weltweit. Ich wollte dir schreiben,  weil du für die Menschen in Ramallah und Khan-Yunis nicht nur  charmant bist – Du bist eine Quelle der Hoffnung – ein seltenes Gut für uns alle, die zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer leben

Ich wollte Dir schreiben, weil,  wenn die Leute Dich ansehen, sie nicht nur einen hübschen jungen Mann sehen, der singen kann, sondern auch die Verkörperung neuer Möglichkeiten und Inspiration  für ein Ziel, das jenseits der Realität liegt, die manchmal  über uns zu fallen scheint.

Du magst denken: „Was kann ich tun?“

Du hast alle Gründe der Welt, pessimistisch zu sein. Der US-Außenminister John Kerry versucht jetzt, die israelische und palästinensische Seite für Verhandlungen zusammen zu bringen. Aber Du und ich wissen, dass fast jeder zu Hause mit den Augen rollt, wenn irgendjemand das Wort Frieden erwähnt.

Wer kann sie deshalb verklagen?  Immer wieder haben unsere Führer uns mit ihrer Unfähigkeit enttäuscht, tapfere Entscheidungen zu machen  und einen Schritt in Richtung Versöhnung zu gehen.

Aber Deine Stimme  kann klarer und lauter sein als ihre. Die Geschichte ist voll unkonventioneller Aktionen, die einen Wandel herbeibringen. Du berührst die Herzen und Seelen von über 160 Millionen.   Und da es wahr ist, dass unter den 7 Millionen Israelis nicht viele zu dem Profil deiner Fans passen, sind  wir nicht so sehr verschieden. Wenn Musik ergreifend und tiefsinnig ist, bleibt keiner unberührt, und Deine schöne Stimme kann in einer Weise eine Botschaft senden, wie es kein Politiker kann.

Du magst denken: „Diese Leute in Israel wollen keinen Frieden mit uns. Doch nimm bitte zur Kenntnis: Es stimmt, dass es für die meisten Israelis schwer ist, zuzusehen wie ein Versprechen  für eine Lösung am Horizont auftaucht –und wir dagegen seien. Es ist eher darum, weil einer unserer früheren Ministerpräsidenten uns erzählte: „Es gibt keinen Partner für Frieden.“  Ob das nun wahr ist oder nicht – die meisten von uns glauben es. Aber tief drinnen  hofft sogar der Pessimist unter uns, dass dies nicht stimmt.

In der hebräischen Bibel steht: „ Besser einen guten Nachbar haben, als einen fernen Freund.“  Die ganze Welt kann  Dich verehren und mit Dir sympathisieren, aber wir sind es, mit denen Du in der Klemme sitzt und umgekehrt. Bitte, wende dich an uns. Du kannst auch unser Idol sein.

Du bist 23, ich bin fast 25. Wir sind jung, aber wir sind keine Kinder mehr. Als ich 15 war, las ich in einem amerikanischen Buch, dass es das Kennzeichen eines unreifen Mannes sei, er wolle für eine edle Sache sterben, während das Kennzeichen des reifen Mannes sei, er wolle für  eine bescheidene Sache leben. Nun -10 Jahre später – klingt dieser Satz in mir und nicht nur als ein eloquenter Satz aus einer Novelle. Ich war  Kampfsoldat. Ich weiß, was es heißt, bereit zu sein, sein Leben für etwas zu lassen. Doch  würde ich viel lieber in diesem Land neben und mit Dir leben, als sterben, damit andere hier alleine leben können.

Schau mich an, weil Du keine andere Wahl hast. Auch ich hab keine andere Wahl. Wir  sind an einander gekettet und wir müssen nicht woanders hingehen. Aber das muss nicht schlecht sein. Deine Stimme ist wunderbar. Sie kann die palästinensische und arabische Jugend  in der ganzen Welt  erreichen. Sie kann eine neue Geschichte erzählen, eine die nicht mit „Wir haben keinen Partner“ endet. Es ist eine Geschichte, die zu leben versucht, vielleicht sogar zu lieben.  Ich kann es schreiben -Du aber sollt es singen.

Mabruk, oder wie wir auf Hebräisch sagen Mazal tov!  Herzlichen Glückwunsch!

Natan Odenheimer

(dt. Ellen Rohlfs)