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Palästinensische Kinder/Jugendliche arbeiten in israelischen Siedlungen

 

Dalia Hatuca, 6.7.13.

Jordantal, besetzte Gebiete: schmale, schwach aussehende Körper bewegen sich in den Obstgärten, pflücken und reinigen Früchte und Gemüse, packen sie in Container, bevor sie sie auf LKWs laden. Wie ein Uhrwerk jeden Tag zwischen 5 Uhr morgens und 2 Uhr nachmittags arbeiten palästinensische Kinder in den illegalen israelischen Siedlungen im Jordantal, um ihren Familien zu helfen. Sie haben  die Idee von Schule weit hinter sich gelassen.

Ismail ist gerade 16, hat aber die Oberschule nicht geschafft und arbeitet nun in der Siedlung Argaman, um seine 12köpfigen Familie  mit zu unterstützen und  seinem älteren Bruder das Studium mit zu bezahlen. Er arbeitet  bis zu 8 Stunden in den Feldern, manchmal an 7 Tagen in der Woche, was von der Saison abhängt.

„Ich möchte später gerne weiter zur Schule gehen, so hoffe ich … bevor ich zu alt werde, um sie zu beenden,“ sagte Ismail, der aus dem  Dorf Al Zubeidat im Jordantal kommt. „Jetzt kann ich nicht zurückgehen, weil  das Geld für die Familie wichtiger ist.

Die Zahl der Palästinenser, die innerhalb der Jordantalsiedlungen arbeiten, liegt zwischen 10 000 und 20 000, was von der Jahreszeit abhängt, nach dem Ma’am Entwicklungszentrum, einer in Ramallah sitzenden Organisation. Die Kinder machen etwa 5-10% dieser Arbeiter aus. Diese Kinderarbeiter leben entweder im Jordantal z.B. in Al Fasayil, al Jiftlik und Al Zubeidat oder kommen aus der restlichen Westbank, besonders aus den Südhebroner Hügeln, wo die Lebensbedingungen  sehr hart sind, die Arbeitslosigkeit hoch und das Wasser sehr knapp. Meistens folgen die Kinder  erwachsenen Familienmitgliedern, die schon dort arbeiten.

Die Kinderarbeiter fallen mit 15 oder 16 aus der Oberschule, weil die Arbeit in den Siedlungen oft die einzige Möglichkeit für sie und ihre Familie ist, das Überleben zu ermöglichen.

„Die meisten Jugendlichen sehen die Arbeit in den Siedlungen als die einzige Option für ein besseres Leben“, sagt Cris Michael, der Koordinator beim Ma’an Development  Center. „ Es gibt viele Fälle, von Männern mit 30 oder 40, die seit ihrem 14.Lebensjahr in den Siedlungen arbeiten.

Die hohe Ausfallrate (aus der Schule) ist dem schwachen Bildungssystem im Jordantal anzulasten und wird durch einen Mangel an adäquater Infrastruktur und einer großen Anzahl von Schülern erschwert…

Nach einem Ma’an-Bericht sind nahezu 10 000 Kinder aus der Zone C im Schuljahr 20011/2012  in Schulzelten, Karavanen oder Blechhütten – ohne Schutz gegen Hitze noch Kälte – zur Schule gekommen. Außerdem fehlt  einem Drittel der Schulen in Zone C adequates Wasser und sanitäre Einrichtungen“.

Der Bericht Parallele Realitäten: israelische Siedlungen und palästinensische Gemeinschaften im Jordantal fand auch, dass  viele  pal. Schulen von  israelischen Behörden die Abbruchorder bekommen haben.

Kinder arbeiten deswegen in Siedlungen oder weil sie von ihren Familien dazu aufgefordert werden. Muhammad,16, kommt aus Al-Fasayil und arbeitet in der nahen Siedlung Tomer, wo er im Sommer süße Paprika pflückt und einpackt und im Winter in der Dattelplantage arbeitet.

Muhammad hörte mit der Schule auf, weil er das Gefühl hatte, Geld zu verdienen ist im Augenblick eine bessere Option, als die Schule zu Ende zu machen. „Die Schule bereitet mich nicht für die Zukunft vor“, sagte er, „Es gibt so viele, die auf die Universität gehen und dann keine Arbeit bekommen. Es wird für mich nicht anders sein“.

Das Jordantal ist  diesem Phänomen besonders ausgesetzt: 95 % des Landes gehören zu  Zone C, die nach dem Oslo-Abkommen nur  völlig unter israelischer Kontrolle steht. Das Gebiet ist entweder voller Siedlungen oder militärisches Sperrgebiet oder als „Natur-Reservat“  vorgesehen.

Eine Menge palästinensischer Dörfer haben landwirtschaftlich gebrauchtes Land in Zone C, was bedeutet, dass palästinensische Bauern Genehmigungen benötigen, um zu ihrem Land zu kommen – und dies nur zu bestimmten Stunden. Sie dürfen auch nur bestimmte Geräte mitnehmen. D.h. Sie können nicht mit den Siedlern für Export konkurrieren, weder was den Preis noch die Qualität betrifft“, sagte Michael. „ Also verpachten sie ihr Land und gehen in die nächste Siedlung, um dort zu arbeiten.

Das Jordantal hätte wegen seines fruchtbaren  Bodens und seiner reichlichen Wasserressourcen das  Potential eines Brotkorbes für die Westbank. Aber sehr wenig Land und sehr wenig Wasser ist Palästinensern zugänglich, denen nur noch 5% des Landes zur Verfügung stehen. Die harten Lebensbedingungen sind eine direkte Folge israelischen Landraubes und der Kontrolle der Wasserressourcen. Und die Mauer  zwingt die Palästinenser schließlich, in den illegalen Siedlungen zu arbeiten.

Herausfordernde  Arbeitsgesetze

Das Jordantal ist das Zuhause von nahezu 60 000 Palästinensern, während 9500 Israelis in  dem Gebiet in 37 Siedlungen leben – nach dem UN.Office  für koordinierte humanitäre Angelegenheiten. Einmal innerhalb dieser Siedlungen sind die Kinderarbeiter Reinigungskräfte,  pflücken und verpacken Gemüse und Früchte, arbeiten bei Temperaturen, die im Sommer 50 Grad C erreichen  können und verdienen zwischen 50-90 NIS (14-25 $) bei einem  acht oder neun Stundentag.

Ihr karger Lohn sind 25-50% dessen, was ihnen nach israelischem Recht zustehen würde, das einen Minimumlohn von  23,12 NIS  pro Stunde vorsieht und  Krankenkasse plus bezahltem Krankenurlaub.  – nichts davon bekommen  palästinensische Arbeiter. Aber nach Kav LaOved, einer israelischen  Arbeiter-Rechtsgruppe, verweigern israelische Arbeitsgeber in den Siedlungen und Industriezonen in der Westbank weiter routinemäßig die Rechte ihrer palästinensischen Arbeiter in großem Ausmaß. Diese  Verletzung der palästinensischen Arbeiterrechte durch israelische Arbeitgeber in der Westbank wird dadurch ermöglicht, weil es kein  Gesetz gibt, dass gegen solche  Gesetzesbrecher vorgeht.“

Ein israelischer Offizier, der für die zivilen Probleme in den besetzten  Gebieten zuständig ist, weiß  angeblich von diesen Problemen bez. Kinderarbeit gar nichts.

Die palästinensische Handelsunion vertritt die palästinensischen Arbeiter; sie nannte das Phänomen ein „kompliziertes Problem“, das gemeinsame Bemühungen vieler Organisationen erfordert.“ …

Sehr oft  kommen Kinder über einen palästinensischen  Vermittler als Arbeiter in die Siedlungen, der dann einmalig oder monatlich  Geld von ihnen verlangt, weil er ihnen die Arbeit besorgte.  Er beutet die Kinder auch aus.  Die Siedler behaupten dann, sie wüssten nichts und legen die Verantwortung dem „Vermittler“ vor die Füße.

Kinder, die nicht aus der Gegend sind, sind gezwungen unter erbärmlichen Bedingungen in feuchten Speichern zu leben, manchmal 20 auf einmal. Die Tatsache, dass das Jordantal nicht entwickelt werden kann, obwohl 85% der Bevölkerung palästinensisch sind, zwingt diese Kinder zu sagen: „dies ist mein Leben, mein Vater kann nicht arbeiten, mein Bruder ist an der Universität,  in den Siedlungen zu arbeiten, ist die einzige Möglichkeit zu überleben …

(dt. und stark gekürzt: Ellen Rohlfs)