Israel-Palästina Nahost Konflikt Infos 

 

Elias Chacour - Israeli, Palästinenser, Christ

Sein Leben erzählt von Pia de Simony und Marie Czernin

Aufl./Jahr: 1. Aufl.  2007

Verlag Herder

€[D] 19,90 / sFr 34.90

ISBN: 978-3-451-29195-1

Die Raketen der Hizbollah schlugen 2006 unweit seiner Kirche ein. Elias Chacour, Sohn einer palästinensischen Bauernfamilie, kennt das Heilige Land und seine Geschichte wie kaum ein anderer. Er war acht Jahre alt, als seine Familie 1947 von israelischen Soldaten aus dem Heimatdorf vertrieben wurde. Er hat Hass und Terror erlebt. Heute gilt er als spirituelles Energiezentrum des christlich-jüdisch-muslimischen "Trialogs". Schon dreimal wurde er für den Friedensnobelpreis nominiert. 2003 gründet er die erste christlich-arabische Hochschule in Israel: eine einmalige Institution mit nunmehr rund 4.500 Studenten, davon mehr als die Hälfte Frauen und Muslime. Chacours Leben zeigt: Hass kann verwandelt werden. Frieden ist möglich.

 

 

Buchbesprechung

Ein Bischof, der sich an Jesus Christus hält

Der einzige Weg zum Frieden: Versöhnung

Zu einem neuen Buch über den Bischof von Galiläa Elias Chacour

Von Rupert Neudeck

23.3.07

 

 

Ein großartiges Politik-Lehrbuch. Wenn die Europäer wirklich eine Politik des Friedens und der Versöhnung betreiben würden, dann könnten sie sich dieses Buch und diesen Mann zum Vorbild nehmen: Den christlich-melkitischen, mit Rom vereinigten Erzbischof Elias Chacour. Alles, was dieser Mann sagen kann, ist durch das eigene Leben belegt. Alles hat eine versöhnliche Grundstruktur. Nichts daran ist durch Hass und Rache, durch Terror und Waffen korrumpiert.

Wenn wir ihn so ernst nehmen, wie er uns schon seit Jahren entgegentritt, müssten wir neben den Sorgen der Juden in Israel auch die der Palästinenser gleichberechtigt ernst nehmen. Davon sind wir noch weit, weit entfernt.

„Die Palästinenser bräuchten jetzt Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Dann hätten sie keinen Groll mehr gegen die Juden“. Das ist die Botschaft von Chacour, der nicht blind ist und genau weiß, wie falsch und dumm kriminell das gewesen ist, was man nur bedingt die palästinensische Politik nennen kann. Das ist ja auch eine ungerechte Fiktion, von der Elias Chacour sehr genau weiß. Es gibt ja immer noch nicht den zweiten Staat, die Palästinenser haben ja noch nicht den eigenen Staat. Deshalb können sie ihn auch nicht regieren.

Elias Chacour hat das Evangelium und Jesus Christus buchstäblich und physisch ernst genommen. Eines der großen Erlebnisse, an denen er sich selbst und seinen Gläubigen in dem Dorf Ibbilin bewies, dass man die Botschaft der Versöhnung ernst nehmen kann, geschah am Palmsonntag 1967. Eine total überfüllte Kirche. Überall sieht Abuna Elias in seiner Kirche zerstrittene Leute. Menschen, die nicht miteinander reden. Er hatte das Gefühl, die Gläubigen erfüllten nur ihre Feiertagspflicht. Er erledigte die Liturgie, wollte den Schlußsegen geben, da hielt er inne, ging zur Doppeltüre, und schloß sie ab. „Ihr seid ein geteiltes Volk. Ihr streitet und hasst Euch gegenseitig, verbreitet Unwahrheiten, gehässige Lügen. Was sollen denn die Moslems denken, wenn sie euch hören? Wenn Ihr nicht einmal euren Bruder, den ihr sehen könnt, liebt, wie könnt ihr dann behaupten, den unsichtbaren Gott zu lieben?“

Alle in der Kirche standen da wie angewurzelt und wütend. Er – so fährt Abuna Elias fort  – habe alles Mögliche versucht, sie miteinander zu versöhnen. „Das ist mir leider nicht gelungen. Ich bin auch nur ein Mensch.“ Aber der Einzige, der das Wunder verbringen kann, weile unter ihnen. Jesus Christus.

Elias Chacour sah, dass einige voller Wut gehen wollten. Doch dann meldete sich der israelische Polizist. Und sagt. „Mehr als jeder von euch brauche ich Vergebung. Meine eigenen Brüder hasste ich so sehr, dass ich sie fast umbringen wollte.

Können Sie mir verzeihen?“ Alle haben sich umarmt. Noch am späten Nachmittag hat Elias die glücklichen Stimmen singender Menschen auf den Straßen gehört.

Elias ist der geborene „Freund Abrahams“. Als es im Spätherbst 1971 einen Blitzeinschlag in der Moschee von Ibillin gab und diese vom Einsturz bedroht ist, bittet er den Scheich Ahmad, den Vorbeter der muslimischen Gemeinde, zu sich in die eigene Kirche. Hier, so sagt er ihm, könne er beten, bis die Moschee wieder hergerichtet ist.

Der Scheich war erst verwirrt: Sie laden uns wirklich ein? Elias Chacour, mit Rom vereinigter Erzbischof der Palästinenser und Israeli sagt, „dass Christen und Muslime doch den gleichen Gott verehren. Von diesem Moment an verbesserten sich auch die Beziehungen der beiden Religionsgemeinschaften“.

1968 kam als Nachfolger des Bischofs Hakim, der zum Nachfolger der melkitischen Kirche in Beirut ernannt war, ein Amerikaner libanesischer Herkunft als Bischof nach Galiläa. Beide waren der festen Überzeugung: Man muss Hoffnung vermitteln. Die Palästinenser brauchen in allererster Linie Hoffnung auf eine Zukunft. Hoffnung, dass wir uns eines Tages mit den Juden versöhnen können.“

Der Bischof ist Palästinenser und hat immer wieder erlebt, dass er damit ein israelischer Bürger nicht erster, sondern dritter Klasse ist. Als er aus Paris von seinem Studienaufenthalt zurückkommt, und nach der Schiffspassage in Haifa landet, wird er nicht wie alle sonstigen Träger eines israel. Passes gleichbehandelt, sondern vom Geheimdienst erst mal in ein Verhör genommen. Die Geheimdienstleute wollen stundenlang alles wissen, was er in Paris und in Europa alles gemacht hat.

Bekannt ist Chacour geworden durch die Zähigkeit, mit der er die Mar Elias Schule in Ibillin (in Israel notabene) gebaut hat. Bis zur Fertigstellung war der Bau illegal, und wäre Elias Chacour nicht so prominent gewesen, hätte man ihm den Bau zerstört. Warum? Wenn zwei in Israel das gleiche tun ist noch lange nicht dasselbe: Palästinensern wird der Bau von Häusern, Schulen verweigert, Juden nie. Anfang der 90er Jahre waren schon weit über 1000 christliche und muslimische Schüler auf der Schule. Um das Geld für eine Turnhalle zu bekommen, ging er einfach am Haus des Ex-Außenministers in den USA vorbei. Er hatte gehört, dass dieser sich geweigert hatte, nach dem 1. Golfkrieg 1991 sein Haus bewachen zu lassen. Also schellte er, und Abuna Elias war damals noch nicht Erzbischof. Mrs. Susan Baker war an der Tür und ein bisschen indigniert. „Wir Galiläer machen vorher keine Termine aus wir pflegen einfach zu erscheinen“. Da bat Frau Baker ihn herein, um ihn einer Damenrunde als Ehrengast vorzustellen, die gerade die authentische Botschaft der Bergpredigt berieten. Es blieb den Frauen im Haus des Secretary of State der Eindruck: Ein echter Nachfolger des Meisters aus Galiläa war bei ihnen zu Besuch.

Chacour ist nicht so unpolitisch wie seine deutschen Bischofskollegen. Er wusste seit langem: „Der Weg von Ibillin nach Jerusalem führte am schnellsten über Washington“. Denn ein Jahr später kündigte James Baker seinen Besuch an in Ibillin mit seiner Frau. Das Buch unterschlägt nicht die oft Menschenverachtende Politik Israels gegen die Palästinenser.

 

Die Geschichte des Baus der illegal errichteten Schule Mar Elias in Ibillin sollte die deutsche Bundeskanzlerin studieren, bevor sie in den nächsten Wochen erneut in den Nahen Osten reist: Alles steckt darin. Die unglaubliche Schikane. Palästinenser dürfen auch nicht bauen, wenn sie Israelis sind. „Die Juden glauben doch, dass alle Palästinenser sie ins Meer jagen wollen, dabei sind wir die Vertriebenen“. Und Chacour macht es immer wieder glasklar: „Gerade weil wir israelische Staatsangehörige sind, sollten wir die Gelegenheit nutzen, der Regierung klarzumachen, dass wir für unsere Kinder und Kinderkinder die gleichen Bildungsmöglichkeiten erreichen wollen, die unsere jüdischen Brüder schon längst haben.“

Aber auch die andere Seite ist ver-rückt. Als er 1975 zu dem Patriarchen der Melkiten nach Beirut gerufen wird, mitten im heftigen Bürgerkrieg im Land der Zedern, wird er entführt. Die PLO Truppe sucht jüdische Spione. Irgendwelche Nachrichten sagten, Israel hätte 300 U-Boote nach Libanon geschickt. Beim Verhör wird es verdammt ernst. Man glaubt, er ist ein geschickter jüdischer Spion im Priestergewand. Wie kompliziert das immer ist: Juden betrachteten ihn als Araber, trotz seines Israel Passes, Araber sahen in ihm den Israeli, wegen des Passes. Der Zufall will es, dass der ihn verhörende PLO Soldat aus dem gleichen Geburtsort wie Chacour kommt, aus Biram. Als die Entführung beendet ist, fragt Abuna Elias die wachhabenden, wie der Ort heißt, an dem er verhört wurde: „Sabra“. Genau das Lager (zusammen mit Chatila), dass dann später zu dem schrecklichen, vom Israels Armee und dem Verteidigungsminister Ariel Sharon geduldeten Massaker an den Palästinenservertriebenen wurde.

Mittlerweile hat er viel erreicht, aber die Politische Situation ist so Menschen-verachtend geblieben. Die Besatzung gibt es weiterhin. Es gibt Terror nicht nur auf der Seite der Palästinenser, wie der Bischof nicht müde wird, uns Deutschen zu sagen. Chacour weiß, was die deutsche Bundesregierung wissen muß: Die Unabhängigkeit Israels hängt letztlich von der Unabhängigkeit eines palästinensischen Staates ab. Es sollte doch möglich sein, aus Israel und Palästina unabhängige Partner zu machen.

Elias Chacour ist ein Genie des Kampfes für die Menschenrechte. Illegal kann kein Kampf sein um eine Schule, um eine Klinik, um das Verbinden der Wunden des unter die Räuber Gefallenen auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho. Das Kernstück des Buches ist die Begegnung mit sieben alternativen Rabbinern, die ihre Erfahrungen mit den jungen Palästinensern machen. „Es könnte in Israel doch so schön werden, wenn alle Juden so handelten und dächten wie diese aufgeschlossenen Rabbiner!“ Und: „Wie stark ist doch das Schicksal der Juden mit jenem der Palästinenser verbunden“. Chacour sagt es in diesem wunderbaren Buch, Programmschrift einer künftigen Friedensdekade zwischen Israel und Palästina: Sie sind Blutsbrüder. „Ob Juden und Palästinenser es wollen oder nicht: Sie könnten miteinander auskommen“ Auch in der Zukunft. Wie schon in der Vergangenheit.

 

Die Lösung ist zu finden. Aber sie bedarf der Anerkennung des Vertreibungs-Unrechts an den Palästinensern, vor, während und nach der Gründung des Staates Israel. Und sie bedarf des Endes der Demütigung der besetzten Bevölkerung. Auch der Anerkennung des Unrechts an den Palästinensern in ihrem Land durch die Juden, die aus Europa einströmten. Solange die Palästinenser dieses Wort der Entschuldigung für die Vertreibung nicht gehört haben, wird es keine Versöhnung geben. Und auch keinen Frieden.

 

Pia de Simony/Marie Czernin: Elias Chacour – Israeli, Palästinenser, Christ.

Herder Verlag Freiburg 2007 223 Seiten

 

 

mehr:

http://www.podster.de/episode/292136

 

Website Mar Elias Educational Institutions      http://www.meei.org/