Die Herren des Landes

von Idith Zertal (Autor) und Akiva Eldar (Autor)

 Markus Lemke (Übersetzer)

 

DVA Oktober 2007

 

 

ISBN-13: 978-3421042682

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.amazon.de/Die-Herren-Landes-Idith-Zertal/dp/3421042683/ref=pd_bbs_sr_1/302-3037311-9814442?ie=UTF8&s=books&qid=1191525339&sr=8-1

 

Amazon.de:

Kurzbeschreibung
Israel hat den Sechstagekrieg am siebten Tag verloren

Die Autoren schildern die komplexe Beziehung zwischen dem Staat Israel und den jüdischen Siedlern. Sie eröffnen erstmals einen spannenden Blick ins Innere dieser Bewegung, aber auch in die israelische Gesellschaft selbst und zeigen, wie Regierung und Siedler sich über vierzig Jahre gegenseitig instrumentalisierten. Was mit ein paar Häusern in den Bergen Judäas begann, ist heute ein riesiges Netz von Siedlungen. Diese stellen nicht nur eine ständige Provokation für die palästinensische Bevölkerung dar, sie sind eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten. · Die erste umfassende Geschichte der Siedlerbewegung · Großes Medieninteresse: Der Sechstagekrieg und die Gründung der ersten Siedlung jähren sich zum 40.Mal

Klappentext
"Es ist die erste zusammenhängende Darstellung des Projekts der Siedlungen und seiner Ideologie und sie hat in Israel zu lebhaften Debatten geführt."
taz

"Erstmals liegt nun mit dem Buch Die Herren des Landes eine umfassende Studie über die jüdischen Siedler seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 vor. Die beiden Autoren haben bereits vor zwei Jahren mit der hebräischen Ausgabe des Buches heftige Debatten ausgelöst. Die deutsche Übersetzung könnte auch hier für Aufsehen sorgen."
Profil

 

Ist Ehud Olmert ein Charles de Gaulle?

Zu einer Studie über die jüdischen Siedlungen, jetzt drei Jahre nach der hebräischen Ausgabe bei DVA erschienen

Von Rupert Neudeck

23.9. 07

 

 

Wieder ein Buch, das einen um den Schlaf bringt. Es ist die m.W. gründlichste Studie über die Geschichte der jüdischen Siedlungen und Siedler, die in der politischen Literatur bisher erschienen ist. Idith Zertal lehrt an der Universität Basel am dortigen Institut für jüdische Studien. Akiva Erdal war lange Jahre Sprecher des Bürgermeisters von Jerusalem Teddy Kollek, ist heute Leitartikler der Tageszeitung Haaretz in Tel Aviv.

Warum kann man schlecht schlafen? In Krisenzeiten und beim Aufflammen des Konfliktes „dominierte die Schießwut den Dialog mit den Arabern, wurden deren Rechte mit Füßen getreten.“ Rabbi Levinger, mit seiner Pistole am Eingang des Gerichtssaals fuchtelnd, in dem er der Ermordung eines arabischen Schuhhändlers angeklagt werden sollte, rief in die Menge, was die geheimen Wünsche vieler ausdrückte: „Ich habe den Araber nicht getötet. Gäbe Gott, ich hätte ihn getötet.“ Solche Geschichte enthält das Buch in großer Fülle.

 

Der Haß, der auf die Araber versprüht und ihnen angelastet wird, macht diese Gruppe zu einem entsetzlichen Fremdkörper einer Gesellschaft, die auf Sitte, Anstand, Verfassung und Menschenrecht doch irgendwo noch Wert legt. Dauernd werden diese Siedler, zumal die von der Gusch Emunim mit hemmungslosen Vergleichen von Nazis und Araber belegt. Frieden werde mit Feinden geschlossen, schrieb der Siedler David Rosenzweig, aber die Araber seien keine Feinde, sondern TZORERIM, Menschenhasser. Die Situation eines Tzorer, so Rosenzweig, einer der Gründer der Siedlung Kedumin, sei eine Situation, in der es keine Kompromisse gibt.

 

Ein materialreiches Buch, das in zwei mächtigen Teilen und sieben großen Kapiteln gegliedert ist. Der erste Teil geht um den 40jährigen Krieg, wovon das dritte Kapitel den „Kampf um jeden Hügel“ beschreibt,

Der zweite große Teil beschreibt den Weg von der Erlösung zur Zerstörung: Im 7. Kapitel wird uns der Mythoszahn gezogen, den wir Deutschen immer noch gern weiter getragen hätten: „Im Lande Israel ist alles legal!“. Recht ist eine politische Hure. Was die Autoren allein auf Grund historiographischer Quellen und weniger

Zeitzeugen Befragungen herausbekommen haben, ist erschütternd.

 

Was den europäischen Leser irritiert: Wann hat eine europäische Regierung bei der Israel Regierung gegen diese eindeutig völkerrechtswidrigen und politisch kontraproduktiven Besiedlungen protestiert? Die Europäer – nie, die Deutschen – noch weniger als nie, weil sie nicht mal den Gedanken gewagt hätten. An einer Stelle geht es um den Widerstand des damaligen US Präsidenten Jimmy Carter am 19. Juli 1977. Carter bekannte sich Menachim Begin gegenüber als jemand, der an der traditionellen Politik der USA festhielt, die mit Resolution 242 der UNO gegeben war, nach der eben alle Wehrdörfer der jüdischen Siedler als illegal bezeichnet werden mussten. Für Carter stellten sie ein Hindernis für den Frieden dar. Aber auch Carter setzte sich damals nicht durch. Er gab schließlich sein Einverständnis zu einem Ausbau der bereits bestehenden Siedlungen in den besetzten Gebieten.

Zu einer regelrechten Krise kam es, als James Baker erleben musste, dass Zusagen einfach nicht eingehalten wurden. So wie es der niederländische Premierminister Dries van Agt erlebt hatte, der ebenfalls völlig konsterniert war zu erleben, dass alle Zusagen nicht eingehalten waren.

 

Das Buch berichtet von dem dramatischen Wortstreit zwischen Shamir und Baker am 10. April 1991 in Jerusalem. Sharon hatte angekündigt, 13.000 neue Wohneinheiten in den besetzten Gebieten zu bauen. „Ich betrachte das als vorsätzlichen Versuch, den Frieden zu sabotieren. Ich fordere Sie auf, diese Verlautbarungen zu dementieren“. Es kam sensationellerweise zu einer Warnung, einmal in der Geschichte der letzten 40 Jahre – von Wirtschaftsanktionen. Bei einem Auftritt in einem Knessethausschuss verlas Baker die Tel. Nr. des US-Außenministeriums: „Wenn sie es ernst mit dem Frieden meinen, dann rufen Sie uns an!“ Die neue Regierung unter Rabin verpflichtete sich, kein Land mehr für Siedlungen von Palästinensern zu konfiszieren. Dafür bekam Rabin Bürgschaften in Höhe von 10 Mrd. US Dollar für Israel.

 

An anderer Stelle geht es allenfalls um die vorweggenommene mögliche „Missbilligung durch die Amerikaner“. Im September 1977, nach der Regierungsbildung von Menachim Begin, befürchteten er und einige Minister, darunter Landwirtschaftsminister Sharon, diese Missbilligung der USA und wollten deshalb die Siedlungen als militärische Wehrdörfer aufbauen. Was den USA gefiel, sie protestierten nicht. 

 

Eldar und Zertal haben ein unglaublich mutiges Buch geschrieben, das auch vor klaren Benennungen von Skandalen nicht zurückschreckt. Unter Ariel Scharon habe eine „Kultur des Betruges“ Einzug gehalten. Scharon hat in Washington wie in Charm el Sheik schamlos und ohne Zögern die brutale Unwahrheit gesagt. Er wusste immer schon darum, dass niemand protestiert, wenn er Völkerrechtwidriges tut.

 

Die Hand ausgestreckt hat als erster der ägyptische Präsident am 19. 11. 1977, Anwar el Sadat, als dieser in Tel Aviv landete. Damals war die Welt bis ins Innerste Mark erregt und bewunderte diesen Mann. Es wurde ihm das nicht vergolten von Seiten des Menachim Beginn.

 

Das Bestürzende des Buches, zumal in seinem längsten Kapitel mit dem Titel „Komplizenschaft“: Die Fakten, die nicht nur durch die Siedlungen selbst, sondern durch den  Einfluß der Siedler in der Armee, des Einflusses im politischen Establishment führen zu einer Sackgasse der Politik. Das Gerede der Politik von den zwei Staaten ist fast schon obsolet, denn Israel hat in den 40 Jahren fast alles in seiner sog. „aufgeklärten Okkupation“ getan, um diesen zweiten Staat unmöglich zu machen. Um ihn doch möglich zu machen, bräuchte man einen Charles de Gaulle.

 

In der israelischen Armee wird ein Buch über den Algerien Krieg verteilt. Nachdem de Gaulle Algerien aufgegeben hatte, gab es eine gefährliche Fronde der OAS, der „Armee Secrete“. Die Autoren sind nicht sicher, ob nicht eine Regierung Israels, die die Aufgabe der Gebiete hinter der Grünen Linie und damit der Siedlungen auch mit einem massiven Ausmaß von Widerstand durch obere Befehlsränge der Armee rechnen müsste. Und ist Ehud Olmert etwa ein – Charles de Gaulle?

 

Ceterum Censeo: Würde einer von den 640 Abgeordneten des Bundestages dieses Buch lesen, würde er in seiner Israel Palästina Politik nicht weiter machen können wie bisher. Wenn es zwei wären, könnten zwei es nicht tun. Aber deshalb werden sie es lieber nicht lesen.

 

Idith Zertal/Akiva Eldar: Die Herren des Landes. Israel und die Siedlerbewegung seit 1967

 

Rupert Neudeck

 

Chronologie des Unrechts

Idith Zertal / Akiva Eldar: "Die Herren des Landes", Deutsche Verlags-Anstalt 2007, 570 Seiten

 

Das Westjordanland wurde 1967 nach dem Sieg im Sechs-Tage-Krieg von Israel besetzt. Bereits kurze Zeit später kamen die ersten Siedler und ließen sich nieder. Die israelische Historikerin Idith Zertal und der Journalist Akiva Eldar zeichnen in "Die Herren des Landes" die israelische Siedlerbewegung seit 1967 nach und zeigen, wie eng die Bewegung mit den gesellschaftlichen und politischen Kräften des Landes verwoben ist.

 

1967, mit dem Sieg im Sechs-Tage-Krieg, erzielte Israel große Landgewinne. Seine Armee eroberte das Gebiet westlich des Jordans sowie Ost-Jerusalem. Während Ost-Jerusalem umgehend annektiert wurde, ist das Westjordanland bis heute besetztes Gebiet. Israel gab für die Besetzung politische Gründe an: Man brauche das Westjordanland als Faustpfand für künftige Verhandlungen. 1988 gab Jordanien seinen Anspruch auf das besetzte Gebiet zwar auf, die israelische Besetzung hingegen hält an. Sie ist kein Faustpfand mehr, sondern erweist sich als eines der größten Hindernisse für Frieden im Nahen Osten. …

Rezensiert von Carsten Hueck

 

 

 

Frankfurter Rundschau - 28.9.2007

Der Siedelpunkt ist überschritten

Die israelische Siedlungsgeschichte - auch eine Parabel auf das Versagen eines Rechtsstaats

VON RALF HANSELLE

 

Selbst die integersten Götter beginnen an manchen Tagen zu schummeln. Da wäre zum Beispiel Justitia. Die Patronin des Rechts, der man einst in weiser Voraussicht eine Binde um die Augen gelegt hat, lugt zuweilen unverhohlen unter ihrem Sichtschutz hervor. Das Vertrauen darauf, dass vor dem Gesetz jedermann gleich ist, wird mit kleinen Tricks unterlaufen. …